Eine Reise in das Auge der Geschichte

FOTOGRAFIE Der Schweizer Daniel Schwartz ist fünfzehn Jahre lang durch Zentralasien gefahren. Es sind nicht nur Reisen durch Länder, sondern auch Expeditionen durch die Zeit. Wir zeigen eine Auswahl seiner Fotos - und er erklärt uns die Geschichten hinter den Bildern

Die Taliban und die Schweizer, sagt Daniel Schwartz, haben dasselbe Problem. „Wir haben Berge und Pässe – und versuchen etwas daraus zu machen.“ Daniel Schwartz, Jahrgang 1955, ist Schweizer. Er ist Fotograf. Und er ist noch viel mehr: ein Chronist Zentralasiens, ein Zeitreisender.

Das kam so: Schwartz fotografierte die Chinesische Mauer, komplett, das hatte vor ihm noch niemand gemacht. Von Osten nach Westen, auf Zentralasien zu. Er ist auf den Himalaja geklettert. Er hat auf der anderen Seite heruntergeschaut, und er hat die Flüsse gesehen, die im Sand verlaufen. Da wollte er hin.

Dann kam 1991, das Sowjetimperium brach zusammen. Er stellte sich Fragen. Wohin gehen diese Nationen? Werden die Menschen Nationalisten? Demokraten? Islamisten? Er zog los, mit seiner Hasselblad. Nach Kasachstan. Kirgistan. Tadschikistan. Turkmenistan. Afghanistan. Usbekistan.

Er hat die Menschen dort fotografiert. Die Landschaften. Darin sieht er die Geschichte des Landes. „Wenn ich die Geografie anschaue“, sagt Schwartz, „dann weiß ich, ob dort eher Krieg herrscht oder Frieden.“ Er erzählt von einer Lücke im Grenzwall in Usbekistan. Auf dem Foto ist nur karges, hellbraunes Land zu sehen. Aber Schwartz sieht mehr. Er sieht Alexander den Großen, der hier mit seinen Männern durchmusste. Er sieht den chinesischen Pilger, der hier vorbeikam. Die Rote Armee, die durch diese Lücke nach Afghanistan zog. „Wenn ich die Legende, die Geschichte hinter dem Bild nicht kenne“, sagt Schwartz, „dann gibt es für mich kein Bild. Ein Bild ist immer nur so gut, wie man es verdient.“ Die Geschichte zu ergründen, das ist die Hausaufgabe des Daniel Schwartz. Er schafft ein Fenster in etwas Neues hinein – und zugleich in etwas Altes, Vergessenes. Und er arbeitet sich voran mit der Akribie eines Polyhistors, dieser fast ausgestorbenen Spezies von Gelehrten mit weitem, umfassendem Blick.Jana Petersen

Der Fotoband: „Travelling through the Eye of History“ ist bei Thames & Hudson erschienen

Der Reisebericht: „Schnee in Samarkand“, knapp 1.000 Seiten, verlegt von Eichborn

Die Ausstellung: Vom 23. Juni bis zum 12. September zeigt Daniel Schwartz eine Auswahl seiner Fotografien im Martin-Gropius-Bau in Berlin