„Wir haben nichts in den Händen“

Der Präsident des spanischen Radsportverbands inszeniert sich und die in der Blutdoping-Affäre Fuentes beschuldigten Profis als Opfer

MADRID/BERLIN taz ■ Tränen laufen aus dem Nachrichtenticker. Wieder stellt sich ein verdächtiger Radsportler als Opfer dar. Jörg Jaksche hat sich zu Wort gemeldet. Er ist neben Jan Ullrich der zweite deutsche Radprofi, der in die Affäre um manipulierte Blutkonserven verwickelt ist. Jaksche radelte im Team Liberty Seguros. Es ist die Renngruppe, deren Teamarzt eben jener Eufemiano Fuentes war, der im Zentrum der Ermittlungen in der sogenannten Operation Puerto steht, der Rennstall, dessen sportlicher Leiter Manolo Saiz verdächtigt wird, seine Sportler über Jahre hinweg auf illegale Weise fit gemacht zu haben. „Meine Karriere ist ein Trümmerhaufen“, ließ Jaksche gestern verlauten. Sein Karriereende steht unmittelbar bevor. Die Namen von 51 Fahren finden sich in den Akten der spanischen Guardia Civil. Sie gelten als verdächtig. 43 von ihnen radeln inzwischen wieder mit. Zwar mussten viele von ihnen erstklassige ProTour-Teams verlassen und fahren nun für kleinere Kontinentalsportgruppen. Doch es gibt auch Rennfahrer, die wieder ganz oben eingestiegen sind. Allen voran Ivan Basso, der Sieger des Giro d’Italia 2006, der bei Discovery Channel angeheuert hat.

Einer, der ganz nah dran ist am Fall Fuentes, hat daran nichts auszusetzen. Der Präsident des Spanischen Radsportverbands (RFEC) Fulgencio Sánchez Montesinos stimmt in das Klagelied von Ullrich und Jaksche ein. Er bedauert die Folgen der Operation Puerto. Der taz sagte er: „Zwar ist noch immer nichts endgültig aufgeklärt, aber das Image des Radsports hat schwer darunter gelitten. Ullrich ist eines der Opfer.“ Gegen einen spanischen Fahrer wurde bislang kein einziges Sportgerichtsurteil in dieser Sache gesprochen. Sánchez steht dazu. „Ja“, sagt er, „wir als Verband haben niemanden sanktioniert. Dazu hatten wir bislang keinen Grund.“ Der 67-Jährige ist sich sicher: „Nichts ist belegt.“

Die rasante Entwicklung der Affäre um Fuentes, die im Frühsommer vergangenen Jahres zwei Monate lang fast täglich für einen neuen Nachrichtenstand sorgte, ist in der Tat stark abgebremst. Dass es so lange gedauert hat, bis die spanischen Behörden der Staatsanwaltschaft Bonn Blutproben von Jan Ullrich zugesichert haben, liegt nicht nur an den Störmanövern von Ullrichs Anwälten. Die Ermittlungen laufen zwar noch, sie verlaufen allerdings überaus schleppend.

Auch die Staatsanwaltschaft Göttingen hat lange gewartet, bis sie Akten aus Spanien erhalten hat. Sie ermittelt gegen den in Bad Sachsa beheimateten Anästhesiearzt Markus Ch., der verdächtigt wird, Eufemiano Fuentes illegal mit Medikamenten versorgt zu haben. Doch jetzt sind die Akten eingetroffen. Oberstaatsanwalt Hans-Hugo Heimgärtner hätte sich, so sagte er der Thüringer Allgemeinen, ein schnelleres Verfahren gewünscht, doch die spanischen Behörden hätten sich nicht drängen lassen. Die Akten müssen nun übersetzt werden.

Über die besagten Unterlagen ist viel spekuliert worden in den letzten Wochen. Es kursieren mehrere Versionen der angeblich selben Unterlagen. Jörg Jaksche behauptet: „Ich habe Ermittlungsunterlagen der Guardia Civil in meinem Besitz. Zwei Bögen mit der selben Registriernummer, aber mit verschiedenem Inhalt.“

Derartige Merkwürdigkeiten helfen ihm, sich als Opfer zu inszenieren – genauso wie Radsportfunktionäre vom Schlage Sánchez’. Er sieht nicht nur die Fahrer, er betrachtet auch seinen Verband als Opfer. „Wir haben alle unter der Operation Puerto gelitten. Allen voran der Verband“, sagt er. „Wir waren sehr überrascht über die Filtrationen, von denen sich bis heute nicht eine wirklich bestätigt hat. Wir haben nichts in den Händen.“

Einen Verbandspräsidenten wie Sánchez hätte Jan Ullrich wohl auch gern gehabt, einen der sich immer vor die Rennfahrer stellt und sie auch dann noch für unschuldig hält, wenn sie des Dopings überführt sind. „Machen wir uns nicht vor, in den meisten Fällen weiß der Fahrer doch gar nicht, was ihm sein Arzt da gibt“, so Sánchez.

Für ihn ist im Antidopingkampf vor allen der Staat gefragt. Seinen Verband sieht er nicht in der Pflicht. Ein eigenes Kontrollsystem für den Radsport will Sánchez nicht aufbauen. „Wir sind dazu verpflichtet die Gesetze unseres Landes zu erfüllen, aber wir sind nicht für die Kontrolle zuständig“, sagt er.

REINER WANDLER
ANDREAS RÜTTENAUER