Schwächelnde Eliteliga

Der Radsport ist in der Krise. Nicht nur die andauernden Diskussionen um Doping erschüttern das Peloton. Nun haben sich auch noch die wichtigsten Veranstalter und der Weltverband in den Haaren. Für Sponsoren ist die Szene alles andere als attraktiv

VON MARKUS VÖLKER

Rudolf Scharping glaubt an das Gute im Radsport. Der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) sagt, das tiefe Tal sei überwunden, es gehe künftig wieder aufwärts. „Wir befinden uns nicht mehr auf der Intensivstation, sondern in der Reha.“ Woher der frühere SPD-Minister seinen Optimismus nimmt, ist unklar. Es könnte kaum schlechter um die Profiradler stehen. Die Dopingaffäre um den spanischen Mediziner und früheren Kelme- und Liberty-Teamarzt Eufemanio Fuentes hat die Szene der Pedaleure diskreditiert. Jan Ullrich hat demonstriert, wie uneinsichtig gefallene Radsporthelden sind. Und in einer aktuellen Studie ist nachzulesen, dass sich Sponsoren allmählich vom Radsport verabschieden; 68 Prozent der Marketingstrategen in Unternehmen und Agenturen sehen das Sponsoringpotenzial dahinschwinden. Und dann wäre da noch der Streit zwischen dem Radsportweltverband UCI und den renommierten Rennveranstaltern. In diesem Zusammenhang wird gern von einer „Spaltung des Radsports“ gesprochen. Ob es zum Schisma kommt, wird dieser Tage in Brüssel entschieden. Hier treffen sich Vertreter der zerstrittenen Parteien zum großen Schlichtungsgespräch.

Beide Seiten sollten schnell zu einer Einigung kommen, denn am Samstag beginnt in Europa die Radsportsaison mit der klassischen Fernfahrt Paris–Nizza. Das Rennen wird von der Amaury Sport Organisation (ASO) ausgerichtet, die auch für die Tour de France zuständig ist. In ihrem Portfolio sind überdies noch ein paar feine Frühjahrsklassiker. Die ASO hat sich zusammengeschlossen mit anderen großen Rennveranstaltern, etwa denen des Giro d’Italia und der Spanien-Rundfahrt. Gemeinsam bilden sie ein Bollwerk gegen den Weltverband UCI und dessen ungeliebter ProTour-Serie, der sogenannten Champions League des Radsports, aus der die ASO & Co. aber lieber heute als morgen ausscheiden würden. Die ProTour ist seit Jahren in der Kritik, weil sie zu aufwändig und kostspielig für die 20 Eliteteams ist und weil Mannschaften der zweiten Kategorie kaum Chancen haben, in den Kreis der Besten vorzustoßen. Außerdem wollen sich die großen Drei (Tour, Giro, Vuelta) nicht in ihre lukrativen Geschäfte hineinregieren lassen.

Die ASO ist einflussreich genug, um es auf einen Machtkampf mit der UCI ankommen zu lassen. Das Rennen Paris–Nizza kam gerade recht, um für eine Eskalation der Lage zu sorgen. Zuerst wurde das Team Unibet nicht zugelassen, weil der Sponsor – ein Wettunternehmen – angeblich gegen französisches Recht verstoße. Die UCI sagte, das gehe nicht, denn die ASO sei vertraglich verpflichtet, das ProTour-Team starten zu lassen. Daraufhin verabschiedete sich Paris–Nizza de facto aus der ProTour. Die UCI schmollte und entzog dem Rennen den exklusiven Status. Der Weltverband verkündete: Da das Rennen nur noch vom französischen Radsportverband ausgerichtet werde, dürften nur Mannschaften der dritten Kategorie an den Start gehen. Mitnichten, entgegnete die ASO und versicherte sich der Solidarität der führenden Rennställe. Diese haben tatsächlich ihre Bereitschaft signalisiert, das Rennen aufzunehmen – unter welcher Hoheit es auch immer stehen mag. Zur Sicherheit hakte die ASO aber noch einmal nach und machte unmissverständlich klar: Wer am Samstag fehlt, der braucht sich gar keine Hoffnung auf eine Tour-Teilnahme zu machen.

Die Teams sind in der Zwickmühle. „Wir wollen weiter die ProTour fahren und auch die großen Rundfahrten besetzen. Deshalb haben wir jetzt das Heft in die Hand genommen und treten als Vermittler auf“, sagt Hans-Michael Holczer, Manager des Teams Gerolsteiner. Die ProTour-Mannschaften böten „rund 1.000 Personen Lohn und Brot – wir haben eine Verpflichtung unseren Angestellten und Sponsoren gegenüber“, ergänzt Patrick Lefevere, Sprecher der ProTour-Teams. Auch diverse europäische Radsportverbände rufen zur Beilegung des Streits auf. Das haben sie freilich schon wiederholt getan – ohne Erfolg.

Die vom ehemaligen UCI-Präsidenten Hein Verbruggen etablierte ProTour war den großen Drei von Anfang an ein Dorn im Auge. Unter der Ägide des schwächeren UCI-Chefs Pat McQuaid sahen sie ihre Chance. Aus der Abneigung der ProTour machten sie nun keinen Hehl mehr. So wurde der spanische Profi Alejandro Valverde zum Beispiel die Siegerehrung für seinen ProTour-Gesamtsieg bei der Lombardei-Rundfahrt verweigert, weil dieses Rennen von RCS-Sport (Giro d’Italia) veranstaltet wird und somit zu den Abtrünnigen gehört.

Rudolf Scharping glaubt derweil nicht, dass die Lage allzu ernst ist. In einem Radiointerview sagte er mit der ihm eigenen Bierruhe, er werde jetzt mal ein Gespräch führen oder ein Fax aufsetzen lassen. Das dürfte die ASO und UCI schwer beeindrucken.