DER DREIKLANG DER BEGEGNUNGEN
: Gottes Segen, gute Zeit noch

BEISAMMENSEIN Angesichts der vielen Teilnehmer ist es nahezu unausweichlich, mit engagierten Christen auf dem Kirchentag intensive Gespräche zu führen

Viele gute Begegnungen – das ist im besten Protestantensprech ein häufig gehörter Wunsch, der einem wie ein „Pfüati Gott“ in Bayern zum Abschied freundlich entgegenschallt. Begegnung hat auf dem großen Christentreff einen eigenen, dreifachen Klang. Die Rede ist von „echten“, „guten“ und „vielen“ Begegnungen.

Das Kriterium „viele“ ist das einzige realistische und am leichtesten zu erfüllende – denn man trifft hier auf dem Kirchentag angesichts von 120.000 Teilnehmern zwangsläufig viele Menschen, kommt fast notwendigerweise ins Gespräch.

Das kann auch etwas anstrengend werden, wenn man eigentlich in Ruhe mit einem Freund sein Gute-Nacht-Bier trinken will, aber dann in ein sehr, sehr langes Gespräch über lutherische Gemeinden im Grenzgebiet zu Frankreich verwickelt wird – vom Pfarrer dieser Gemeinden natürlich. In solchen Situation käme eine kleine Apokalypse ganz recht, damit die Zeit schneller vergeht. Aber das passiert natürlich nicht.

Meistens sind die „guten Begegnungen“ aber wirklich großartig, so das Herz nicht völlig verhärtet oder zumindest nicht ermüdet ist. Da trifft man beispielsweise eine junge engagierte Christin, die sich völlig ungekünstelt und zu Recht darüber aufregt, dass das Thema der im Mittelmeer seit Jahren elendig ersaufenden Flüchtlinge im Programm des Kirchentags schlicht nicht vorkommt.

Gleich daneben am Tisch sitzt ein evangelikaler Pfarrer, der in Weißrussland lebt und in Moskau arbeitet. Es ist gebürtiger US-Amerikaner, der schon die christliche Friedens- und Bürgerrechtsbewegung der Kirchen in der DDR erlebt hat – und darüber so spannend und kenntnisreich erzählen kann, dass man am liebsten ein Tonband mitlaufen ließe.

Und da ist, vielleicht am rührendsten, diese strahlende junge Dame, die sehr freundlich bittet, doch in einer Kleingruppe über das Gehörte mit zu diskutieren. Man käme sich völlig herzlos vor, wollte man dieser Bitte nicht nachkommen. Dann erzählt die Christin, wie der Text sie einfach „umgehauen“ habe, welchen Schatz sie in dieser Geschichte des Alten Testaments gefunden habe, sodass man schließlich auch etwas dazu sagt – was allerdings viel weniger von Herzen kommt und auch etwas doofer ist, leider. „Gottes Segen, gute Zeit noch“, wünscht sie noch, bevor sie mit ihrem Freund entschwebt, und, verdammt!, das war wirklich eine der „vielen guten Begegnungen“. PHILIPP GESSLER

■ Philipp Gessler ist Reporter und Religionsredakteur der taz