Optimal ist regional

KURZE WEGE Die Berliner lieben Bio made in Brandenburg. Der Handel kann mit regionalen Produkten punkten. Und die Erzeuger profitieren vom stabilen Absatzmarkt in der Hauptstadt. Das Angebot hinkt der Nachfrage allerdings noch deutlich hinterher

■ Die Anzahl der Biosupermärkte in der Metropolregion Berlin-Brandenburg stieg im Jahr 2013 von 61 auf 75, davon zwei mit Sitz in Potsdam.

■ Der Gesamtumsatz des regionalen Naturkost-Fachhandels lag 2013 nach Schätzungen der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg bei über 320 Millionen Euro. Hier sind auch die Vertriebswege über die Direktvermarktung sowie die Abokisten berücksichtigt.

■ Mit rund 1.200 Hektar Land gehört das Ökodorf Brodowin zu den größten biologisch-dynamisch wirtschaftenden Agrarbetrieben in Europa. Das Ökodorf beschäftigt über 100 Menschen und liefert pro Woche rund 1.500 Biokisten direkt an Berliner Haushalte. (us)

VON ULRIKE SCHATTEMANN

Wer im Bio Kraft Keller einkaufen will, muss den Kopf einziehen, der Eingang ist niedrig und die Treppe steil. Unten im Ladenraum finden kaum zwei Kunden nebeneinander Platz, aber es gibt alles, was man zum Leben braucht: Obst und Gemüse, Duschgel, frisches Brot, Milch, Schokolade, Nudeln und Waschmittel, sogar eine kleine Frischetheke mit Ziegenkäse, Speck und vakuumverpackten Schweineschnitzel.

Der Bio Kraft Keller ist ein Ökoladen alter Schule, mit Tante-Emma-Charme und politischem Anspruch. Stammkunden dürfen anschreiben, betrieben wird der Laden von einer Kooperative. Ein Teil der Mitglieder bewirtschaftet einen Vierseitenhof in Bienenwerder östlich von Berlin. Zweimal pro Woche bringen sie Salat, Äpfel, Lauch und Möhren frisch vom Feld in die Stadt.

In nur 300 Meter Entfernung befindet sich einer der größten Supermärkte Berlins, mit einer Riesenauswahl von Arganöl bis Wimperntusche.

Dieses Nebeneinander ist typisch für die Biohandelslandschaft in Berlin. Die Entwicklung geht in Richtung große Einkaufsstätten mit mehreren hundert Quadratmetern Verkaufsfläche. Nach wie vor behaupten sich daneben aber auch kleine inhabergeführte Läden.

Die Konkurrenz der großen Biosupermärkte erschwere die Preisgestaltung, sagt Heidi Niggemann, die heute Kassenschicht hat. „Wir würden gerne für Milch oder Bananen mehr Geld verlangen – aber die Kunden vergleichen die Preise.“ Trotzdem sei der Umsatz die letzten zehn Jahre kontinuierlich gestiegen. Man schätzt den persönlichen, alternativen Ansatz. „Was wir nicht selbst anbauen können, kaufen wir bei befreundeten Höfen ein“, sagt Niggemann und zählt auf: Das Fleisch kommt aus Jahnsfelde, der Käse vom Hof Siebengiebel. Der Bio Kraft Keller ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie eng verflochten der Biohandel in Berlin mit den Erzeugern im Umland ist.

Die Nachfrage in Berlin nach nachhaltig erzeugten Lebensmitteln steigt seit Jahren. Brandenburg hat fast 11 Prozent Flächenanteil Ökolandbau, so viel wie sonst nur Hessen oder das Saarland. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: Der Handel kann mit regionalen Produkten punkten. Und die Erzeuger profitieren vom stabilen Absatzmarkt in der Hauptstadt.

Viele Betriebe in Brandenburg hätten bereits in den 1990er Jahren auf Ökolandbau umgestellt, entsprechend „langjährig, stabil und vertrauensvoll sei die Kooperation zwischen Handel und Erzeugern“, sagt Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL). Auch Ludolf von Malzahn, Geschäftsführer des Ökodorfs Brodowin, spricht von einem insgesamt fairen Miteinander, selbst was die Preisdiskussion mit den großen Bioketten anbelangt. Im konventionellen Handel beklagen Produzenten die zunehmend dominante Verhandlungsposition der großen Handelskonzerne. Der Biomarkt hingegen sei klein, „die Akteure kennen und unterstützen sich eher gegenseitig, als sich zu schröpfen“, so von Malzahn.

Brandenburg hat fast 11 Prozent Flächenanteil Ökolandbau, etwa 670 Ökobetriebe produzieren dort

Denn auch die großen Filialisten ticken regional. Die Bio Company etwa bezieht bis zu 40 Prozent ihres saisonalen Obst- und Gemüses von lokalen und regionalen Produzenten. Bei Brot, Fleisch und Wurst sind es ganzjährig 75 Prozent. Eier und Milch stammen fast ausschließlich aus Brandenburg. „Viele unserer Partner beliefern uns direkt, wir beziehen aber auch Ware über den Großhandel“, sagt Geschäftsführer Georg Kaiser. Auch kleine Erzeuger und Familienbetriebe hätten bei der Bio Company gute Chancen, ihre Produkte unterzubringen. „Die beliefern dann eben nur zwei oder drei Filialen.“

Trotzdem ist die Situation nicht nur rosig. Denn die Nachfrage nach Bio made in Brandenburg übersteigt das Angebot bei Weitem. Das liegt unter anderem daran, dass Brandenburg als einziges Bundesland die Förderung für Betriebsumstellungen auf Ökologischen Landbau drei Jahre lang komplett ausgesetzt hat. Auch die Entwicklung der Bodenpreise macht den Ökobauern schwer zu schaffen. Bezahlbare Pachtflächen werden knapp. Aber es gibt auch strukturelle Hindernisse: Von den etwa 670 Ökobetrieben in Brandenburg produzieren nur etwa 70 gezielt für den Berliner Endverbrauchermarkt. Der Rest erzeugt agrarische Rohstoffe für weiterverarbeitende Betriebe.

Hier sei Beratungsbedarf notwendig, sagt Michael Wimmer. Zumal sich seit diesem Jahr ein neues Geschäftsfeld für Ökobauern auftut: die Gemeinschaftsverpflegung. Der Senat hat ein neues Gesetz zur Schulverpflegung erlassen. Caterer bekommen mehr Geld, sind dafür aber verpflichtet, mindestens 40 Prozente Bioanteil zu verwenden. Das ist eine historische Chance für alle Bioerzeuger in Brandenburg.

Allerdings müssten die dann ihre Produkte auch in der entsprechenden Verarbeitungsstufe liefern, sprich kleingeschnibbelt und in passenden Gebinden. „Wir müssen die Betriebe an die Hand nehmen und ihnen zeigen, wie sie die Wertschöpfungskette elegant erweitern können“, so Wimmer.