CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Nicht jammern hilft auch nicht

Halleluja, wir haben eine neue Norm. Die der Vollzeit arbeitenden Frau, die auch noch das mit den Kindern super stemmt. Nun könnte man einwenden, das sei ganz normal, wenn sich die Biomacht an den Subjekten zu schaffen macht. Staatliche Maßnahmen fordern eben auch in den Köpfen der Leute ihren Tribut. Und schon geraten Frauen, die ihr Leben anders ausrichten, diskursiv unter Druck.

Das beklagen Susanne Garsoffky und Britta Sembach in ihrem Buch „Die Alles-ist-möglich-Lüge“ (Pantheon Verlag, 2014). Weshalb sich – Teufel auch – immer weniger Frauen fürs Kinderkriegen entscheiden.

Die Journalistinnen haben das volle Programm ausprobiert, die Gesellschaft je mit zwei zukünftigen Rentenzahlern beglückt und nach reichlich entbehrungsreicher Zeit schließlich aufgegeben. Die Karriere und ihre diesbezüglichen Ambitionen, nicht die Kinder, klar. Und müssen sich nun auch noch als Helicopter Moms oder Latte-macchiato-Mütter beschimpfen und an Frauen messen lassen, die täglich sieben Gören an- und ein hohes politisches Amt bekleiden.

Man kann schon auf die Idee kommen, dass – Emanzipation hin, Emanzipation her – beim derzeitigen Arrangement Frauen die Gelackmeierten sind. Aufs Ganze betrachtet rackern sich die Frauen heute mehr ab, bekommen dafür weniger Aufstiegsmöglichkeiten und Lohn als die Männer und von selbigen wenig abgenommen, und dann nutzt die Doppelverdiener-Beziehung auch noch der deutschen Niedriglohnpolitik. Alter Wein kann ganz schön schlauchen.

Nicht jammern hilft da auch nicht. Oder sich nur die falsche Einstellung wegtherapieren lassen. So weit ist der Selbstoptimierungswahn durchschaut. Doch wer von Burn-out spricht, sollte auch von Bore-out nicht schweigen. Man muss schon ziemlich irre sein, um sich den ganzen Tag nur mit Haushalt und Hausaufgaben zu beschäftigen. Garsoffky und Sembach schlagen allen Ernstes vor, die meist von Frauen erbrachten Pflegeleistungen an Jungen und Alten staatlicherseits oder durch staatlichen Druck auf Unternehmen angemessen zu entlohnen. Bezahlte Reproduktionsarbeit – auch so ein alter Tropfen. Der schmeckt aber nur richtig gut, wenn ihn die Männer dann auslöffeln. Während die Frauen nicht etwa Karriere und 50-bis-60-Stunden-Wahnsinn, sondern sich mal ganz locker machen.

Die Autorin lebt als freie Journalistin in Hamburg