Volk soll entscheiden

Der türkische Staatspräsident soll künftig in direkter Wahl in zwei Wahlgängen vom Volk gewählt werden

ISTANBUL taz ■ Das türkische Parlament hat gestern mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit in zweiter und letzter Lesung beschlossen, dass der Staatspräsident künftig in direkter Wahl vom Volk gewählt werden soll. Damit hat das Parlament im Eilverfahren kurz vor seiner Auflösung eine weit reichende Entscheidung getroffen. Erstmals in der 80-jährigen Geschichte der Republik soll der Präsident nicht mehr aus dem Parlament heraus, sondern nach französischem Vorbild in zwei Wahlgängen direkt gewählt werden.

Wann es nun das erste Mal zu solch einer Wahl kommt, ist aber noch völlig unklar. Damit die Verfassungsänderung in Kraft treten kann, muss der noch amtierende Präsident Ahmet Necdet Sezer zustimmen. Der hat bereits angekündigt, sein Veto einzulegen und über die Gesetzesänderung ein Referendum abzuhalten. Also soll zunächst das Volk darüber abstimmen, ob es zukünftig selbst den Präsidenten wählen will.

Damit ist die Vorstellung von Ministerpräsident Erdogan, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gleichzeitig abzuhalten, kaum mehr zu realisieren. Tatsächlich wird es wohl am 22. Juli zunächst Wahlen zum neuen Parlament und im Herbst dann Präsidentschaftswahlen geben. Damit wächst die Chance, dass im Herbst doch noch ein lagerübergreifender Präsident gewählt wird, weil es voraussichtlich im nächsten Parlament eine Koalitionsregierung geben wird.

Unterdessen hat der französische Wahlsieger Nicolas Sarkozy ankündigen lassen, er werde nach wie vor gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei kämpfen und stattdessen versuchen, eine privilegierte Partnerschaft durchzusetzen. JG