: Für den Verbraucher in den Wettbewerb
Die Verbraucherzentrale NRW plant, in Zukunft eigene Gütesiegel anzubieten. Damit gehe die Unabhängigkeit verloren, fürchten KonsumentenschützerInnen aus anderen Bundesländern und warnen vor Bünden mit der Wirtschaft
DÜSSELDORF taz ■ Vor einem halben Jahr hat Klaus Müller einen Stein ins Wasser geworfen: „Der schlägt jetzt Wellen“, sagt der Chef der NRW-Verbraucherzentrale (VZ). Was Müller derzeit plant, bereitet einigen seiner KollegInnen Bauchschmerzen. Auf der Mitgliederversammlung der 16 deutschen Verbraucherzentralen in dieser Woche in Leipzig gab es Gegenwind für ein Diskussionspapier aus NRW. Müller will die Zusammenarbeit mit Privatunternehmen erweitern und eigene Gütesiegel anbieten. „Das ist ein sehr heikler Diskussionsprozess“, heißt es aus Verhandlungskreisen.
Besonders kontrovers wurde die Idee der Gütesiegel diskutiert. Die VZ-NRW hat bereits zwei Projekte: Zusammen mit der Fachhochschule Niederrhein bietet sie seit Mitte April ein Siegel für die Qualität von Schulessen an. Mit dem privaten Ökoinstitut arbeitet sie bei der Zertifizierung von Ökostrom-Angeboten zusammen. VZ-Chef Müller kann sich sogar vorstellen, in Zukunft Siegel für Leistungen im Pflege- und Gesundheitsbereich in Eigenregie anzubieten – auch wenn er damit mit anderen Unternehmen wie dem TÜV konkurrieren würde.
Das geht anderen Zentralen zu weit. „So würde man zum Wettbewerber am Markt. Dann dürfte die Verbraucherzentrale andere Siegel womöglich nicht mehr kritisieren“, warnt Jutta Gelbrich, Geschäftsführerin der VZ-Hessen. Sonst könne der Eindruck entstehen, das eigene Produkt werde bevorzugt. Gelbrich befürchtet sogar einen Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. „Man würde sich zwischen den Verbraucher und andere Anbieter stellen“, warnt auch Stefan Bock, VZ-Chef in Schleswig-Holstein.
Klaus Müller sieht die Unabhängigkeit seines Vereins nicht gefährdet. Die Verbraucherzentrale werde nur dort eigene Angebote machen, wo es Bedarf gibt. Außerdem brächten die bestehenden Siegel noch keine Gewinne ein. „Von bis zu 1.000 Euro Zertifizierungsgebühr beim Schulessen kommt nur ein Bruchteil bei uns an.“ Aber natürlich sei es wünschenswert, zumindest kostendeckend zu arbeiten.
Auch die „Stiftung Verbraucherschutz“, die die VZ-NRW gegründet hat, um die stark gekürzten Landeszuschüsse auszugleichen, traf in Leipzig auf Widerstand. Während Mitglieder wie die VZ-Hessen fürchten, dass durch private Geldgeber eine Konkurrenz der Zentralen um mögliche Stifter beginnt, verspricht Müller: „Wir gehen nicht bundesweit hausieren.“ Da die Stiftung nur von ihren Erträgen lebe, sei eine Abhängigkeit von Unternehmensinteressen ausgeschlossen. MORITZ SCHRÖDER
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