Eine moderate Zwischenposition

STERBEHILFE Die „geschäftsmäßige Suizidbeihilfe“ soll verboten bleiben, fordern zwei grüne Abgeordnete in einem „Autorenpapier“. Generell unter Strafe stellen wollen sie die Sterbehilfe aber nicht

BERLIN taz | In der Debatte über eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe haben jetzt Befürworter einer restriktiveren Handhabung im Parlament erstmals ihre Position konkretisiert. Per Strafrecht sollen künftig „die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe“ sowie „öffentliche Werbung dafür“ verboten werden, fordern die grünen Bundestagsabgeordneten Elisabeth Scharfenberg und Harald Terpe in einem „Autorenpapier“, das der taz vorliegt.

Damit, so die Abgeordneten, würde „die Tätigkeit von Organisationen wie Sterbehilfe Deutschland oder Dignitas oder auch einzelner Personen, die die Suizidbeihilfe regelmäßig anbieten, unterbunden“. Straflos dagegen sollen nach dem Willen der Grünen – wie bisher auch – Angehörige oder andere Personen bleiben, wenn sie einem sterbewilligen Menschen, zu dem sie eine enge persönliche Beziehung pflegen, bei der Selbsttötung helfen. Dies solle nur dann gelten, soweit sie „nicht aus eigennützigen Motiven heraus“ handelten.

Die heikle Frage, ob auch Ärzte sich strafbar machen, wenn sie Patienten beim Suizid helfen, beantworten die grünen Politiker mit einem Jein: Solange es um Ärzte mit „einer langjährigen Behandlungsbeziehung“ zu dem Sterbewilligen geht, deren „Handeln Ausdruck eines engen Vertrauens- und Fürsorgeverhältnisses ist“, soll die Beihilfe, quasi als „persönliche Ausnahmesituation“, straffrei bleiben.

Den „assistierten Suizid als geregeltes Angebot der ärztlichen Versorgung zu etablieren“ lehnen sie dagegen ab: „Eine gezielte Institutionalisierung der Beihilfe zum Suizid“ wäre nach Auffassung der beiden Politiker „eine Kapitulationserklärung, dass diese Gesellschaft nicht in der Lage ist, alles Notwendige für menschenwürdige Bedingungen bei Pflege- und Hilfebedürftigkeit am Lebensende und in Krisensituationen zu tun“. Alte und Pflegebedürftige könnten sich zunehmend gedrängt fühlen, sich selbst zu töten, um anderen nicht zur Last zu fallen, warnt Terpe, der selbst Arzt ist.

Damit beziehen Scharfenberg und Terpe innerhalb des parlamentarischen Spektrums eine Art moderate Zwischenposition. Zwar grenzen sie sich scharf ab von der Gruppe um den Bundestagsvizepräsidenten Peter Hintze (CDU) und die beiden SPD-Abgeordneten Carola Reimann und Karl Lauterbach, die eine liberale Regelung außerhalb des Strafrechts und Ärzten den assistierten Suizid unter bestimmten Regeln erlauben wollen.

Andererseits ist der Vorschlag der beiden Grünen weniger radikal als die Vorstellungen einer weiteren parlamentarischen Gruppe um den Abgeordneten Michael Brand (CDU): Letzterer strebt ein Verbot kommerzieller und organisierter Hilfe zum Suizid im Strafrecht an, das einzelne Ärzte umfassen könnte.

Scharfenberg und Terpe kündigen in ihrem Papier an, in nächster Zeit auf Abgeordnete anderer Fraktionen zugehen zu wollen, um einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Der Bundestag wird sich unterdessen in gut einem Monat erstmals in dieser Legislaturperiode ausführlich mit dem Thema Sterbehilfe beschäftigen. Für den 13. November ist eine offene „Orientierungsdebatte“ im Plenum geplant, die der Information der Abgeordneten dienen soll.

Ähnlich war bereits bei anderen medizin-ethischen Themen, etwa der Präimplantationsdiagnostik, verfahren worden. Bei der Abstimmung im nächsten Jahr sollen die Abgeordneten nicht dem Fraktionszwang unterworfen sein.

Bislang ist in Deutschland Hilfe zur Selbsttötung, etwa durch das Überlassen eines tödlichen Medikaments, nicht strafbar. Anders ist es bei der verbotenen Tötung auf Verlangen, bei der ein Helfer das Medikament selbst verabreicht. Ärzten verbietet derzeit in etwa der Hälfte der Bundesländer das Standesrecht die Beihilfe zum Suizid.

HEIKE HAARHOFF