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: Für ein paar Schalker Silberlinge

Vor dem Spiel gegen Schalke kocht in Dortmund der Hass der Fans hoch. Selbst über eine Reaktivierung der tot geglaubten Borussenfront wird spekuliert

Die Brisanz des Derbys könnte kaum höher sein: Ausgerechnet im Stadion des BVB könnte Schalke heute die Meisterschaft feiern. Tausende königsblaue Fans wollen vor dem Spiel in der Dortmunder Innenstadt Präsenz zeigen – aus Sicht der Borussen eine Provokation. Als Reaktion treffen sich die schwarz-gelben Anhänger zum Gegenmarsch, zudem soll sich eigens die legendäre Hooligan-Gruppe „Borussenfront“ wiedervereinigt haben.

Rund 600 Journalisten werden aus Dortmund berichten, 81.000 Fans das Spiel im Stadion verfolgen, bis zu 75.000 beim Public-Viewing in der Arena auf Schalke, Millionen vor den Fernsehern und in den Kneipen: Der FC Schalke 04 könnte, sofern die Verfolger Bremen (daheim gegen Frankfurt) und Stuttgart (in Bochum) patzen, mit einem Sieg die Schmach von 50 Jahren ohne Meisterschaft tilgen. In Dortmund werden bis zu 25.000 Schalker Anhänger erwartet.

Die Schuld an dieser Invasion geben eingefleischte Borussia-Fans dem unbedachten Kartenvorverkauf des Vereins und einigen „Verrätern, die für ein paar Schalker Silberlinge zum Judas wurden“, wie auf einer Fan-Seite im Netz zu lesen ist. Rund 900 der unter anderem beim Internet-Auktionshaus Ebay weiterverkauften Karten hat der BVB gesperrt, blau-weiße Fans dürfen die Südtribüne nur in zivil betreten. Doch spätestens beim Torjubel ist Ärger vorprogrammiert.

Viele Borussen ärgern sich über die Provokationen aus „Herne-West“: Rund 7.000 Schalker Fans wollen vor dem Spiel vom Hauptbahnhof quer durch die Innenstadt zum Westfalenstadion ziehen. Unter dem brachialen Motto „Dortmund ist unsere Stadt – Dortmund ist schwarz-gelb“ wurde schnell zum Gegenmarsch aufgerufen – auf dem Friedensplatz werden bis zu 5.000 Borussenfans erwartet. Die Polizei hält die Routen zum Stadion aus Sicherheitsgründen geheim. Doch wer auf Randale aus ist, wird keine Schwierigkeiten haben, Gegner zu finden.

„Übergriffe sind absehbar – ich sehe dem Derby mit großer Sorge entgegen“, warnt Holger Sitter, Herausgeber des schwarz-gelben Online-Magazins „Gib mich die Kirsche“. Er bestätigt, was in Fankreisen seit Wochen die Runde macht: Die berüchtigte „Borussenfront“, eine seit den 80er-Jahren agierende Hooligan-Gruppe rechten Einschlags, die in letzter Zeit bei unterklassigen Spielen in der Region wieder Präsenz gezeigt hatte, soll sich anlässlich des Nachbarschaftsduells im großen Stil reaktiviert haben. „Rund 100 Hooligans, darunter die Keimzelle der alten Garde, haben sich am Dortmunder Stadtrand getroffen. Sie planen, sich den Schalkern mit allen Mitteln in den Weg zu stellen“, sagt er und stützt sich dabei auf Informanten aus der Szene. Rolf-Arnd Marewski vom BVB-Fanprojekt misst diesem Hinweis hingegen keine große Bedeutung bei: „Die Zeiten der organisierten Randale der Borussenfront sind vorbei – das ist ein Mythos.“ So oder so ist die Stimmung in Dortmund kurz vor dem Überkochen. Selbst ein offizieller Fanvertreter gießt Öl ins Feuer: „Die sollen zusehen, dass sie schnell wieder nach Hause kommen und ihre Tränen trocknen“, richtet sich Olaf Suplicki, Leiter der BVB-Fanabteilung, via DPA an die Schalker Fans.

Wegen der Misserfolge in den vergangenen Derbys und der befürchteten Meisterfeier des S04 im eigenen Stadion scheint der schon begraben geglaubte Hass neu aufzuflackern. Bei einer weiteren Provokation – beispielsweise wenn die Schalker das vor rund einem halben Jahr aus dem Westfalenstadion geklaute Riesenbanner der Dortmunder Südtribüne als Trophäe präsentieren sollten – könnte er sich vollends entzünden. „Das Banner sollte am besten nie wieder auftauchen – das wäre der Super-GAU“, prophezeit Holger Sitter. Bleibt zu hoffen, dass die BVB-Fans als Ausgangspunkt für ihren Marsch zum Stadion nicht nur zufällig den Friedensplatz gewählt haben. SIMON BÜCKLE