Die Stadt lebt vom Event

Hamburg ist erfolgreich in Sachen Stadtmarketing: Dank ihrer zahlreichen Events entwickelte sich die Hansestadt weg von der Handels- und Arbeitsmetropole zu einer Freizeitdestination, sagt der Trendforscher Peter Wippermann

Ein Ladenlokal in St. Pauli. Drinnen befindet sich der „Aktualisierungsraum“, ein nichtkommerzielles Ausstellungsprojekt der beiden Kunsthistorikerinnen Nina Köller und Kerstin Stakemeier. Das Konzept: Für die Dauer von zunächst 12 Monaten gibt es jeweils einen Monat lang eine Ausstellung von Werken, die Fragmente aus der Vergangenheit vergegenwärtigen.

Aktualisierungsraum, Talstraße 17. Geöffnet Di. und Sa. 16–19 Uhr und nach Vereinbarung. Infos: www.aktualisierungsraum.org

Der Kunstverein Linda in einer Seitenstraße der Reeperbahn will, „eher nicht etablierten Künstlern einen Experimentierfläche bieten“, sagt Gründungsmitglied Oliver Görnandt.

Kunstverein Linda, Hein-Hoyer-Straße 13. Geöffnet sonntags 15-19 Uhr und nach Vereinbarung. Informationen unter www.chezlinda.de

Gleich neben der Partyhochburg Hans-Albers-Platz befindet sich die Galerie Hafe+Rand in der Friedrichstraße 28. Die Ausstellungen wechseln unregelmäßig. Aktuell sind dort Fotografien des Leipziger Künstlers Oskar Schmidt zu sehen. www.hafenrand.com

Im Galerie-Restaurant Bachmanns Galeron in der Hein-Hoyer-Strasse 60 gibt es Kunst und schwäbische Küche. Geöffnet Mittwoch bis Sonntag ab 18 Uhr – die Spätzle sind selbstgemacht.

Das Projekt Park Fiction wurde Mitte der 90er-Jahre ins Leben gerufen, um den öffentlichen Raum um den Pinnasberg zu gestalten. Infos zum Projekt und zu aktuellen Veranstaltungen unter www.parkfiction.org

In der Galerie Trottoir in der Hamburger Hochstraße 24 gibt es „Zeitgenössische Kunst Tag und Nacht“. Infos nach dem Umbau unter www.trottoir-hh.de

Beim Trichter 1, in einem ehemaligen Bowlingcenter am Anfang der Reeperbahn, hat die Ateliergemeinschaft SKAM ihre Räume. 25 KünstlerInnen arbeiten dort im 1. Stock. Im Parterre ist ein permanenter Ausstellungsraum. Die Öffnungszeiten variieren. www.skam.org KLAUS IRLER

INTERVIEW KLAUS IRLER

taz: Herr Wippermann, eines der letzten großen Events in Hamburg war die Taufe der „Aida“. Waren Sie dabei?

Peter Wippermann: Nein, ich war da gerade im Flugzeug und bin gelandet. Aber die Taufe der „Aida“ war auch im Flugzeug ein Gesprächsthema, das die Leute interessiert hat. Und das ist das Entscheidende bei Events: Man versucht, Gesprächsanlässe zu organisieren. Dazu geht man mit einer Idee in alle Medienkanäle. Die Anschlusskommunikation ist dann der werbliche Vorteil dieses inszenierten Events.

taz: Was hat Hamburg davon, wenn die Stadt auf diese Art für sich wirbt?

Es geht um wirtschaftliche Überlegungen: Man möchte, dass interessante und jüngere Leute in Hamburg leben, dass sich Firmen ansiedeln, die eine hohe Wertschöpfung haben, also neue Unternehmen. Außerdem möchte man Touristen haben, die Geld ausgeben. Hamburg lebt davon, dass immer wieder Events inszeniert werden.

Wie hat sich Hamburg positioniert?

Hamburg hat einen Image-Dreh hingekriegt von der in sich gekehrten Handels- und Arbeitsmetropole hin zu einer Freizeitdestination, also hin zu Kreuzfahrtschiffen, Musicals oder dem Harley-Davidson-Treffen.

Das klingt so, als ob Hamburg eher für die seichteren Angebote zuständig wäre.

Ich würde nicht sagen, für die seichteren. Die Kreuzfahrer-Eventisierung mit dem Ziel, dass in Hamburg viele Kreuzfahrtschiffe anlanden, macht deutlich, dass es eine Polarisierung gibt. Der eigentliche Hafenbetrieb, die Container, ist ausgelagert worden. Das Vergnügliche an der Schifffahrt wird in die Innenstadt, nämlich in die Hafencity, integriert werden.

Welche Perspektive hat die Eventkultur in Hamburg?

Von Bedeutung sind im Moment die Klimadiskussion und die Überalterung unserer Gesellschaft. Die Frage ist: Hilft die Eventkultur, diese beiden Themen zu bedienen? In der ganzen Klimadiskussion hat Hamburg eigentlich nichts geleistet. Alternativenergie wird nicht mit Hamburg in Verbindung gebracht. Aber die Idee, dass wir vor dem Hintergrund der Überalterung eine gewisse Jugendlichkeit und Vitalität brauchen, wird mit der Eventkultur aufgegriffen.

Widerspricht dem nicht das Image von Kreuzfahrten, eher eine Veranstaltung für Rentner zu sein?

Nein, Kreuzfahrten sind nicht mehr die maritimen Pflegeheime der Nation, sondern werden immer attraktiver. Das hängt damit zusammen, dass die Kurzurlaube zunehmen, weil der Leistungsdruck steigt: Man hat dann eine relativ kurze Zeitspanne, in der man nicht arbeitet, hat aber eine hochintensive Vergnügungszeit. Insofern ist der Eventcharakter im Tourismus außerordentlich interessant für die eigene Stadt und für die Wirtschaft im Tourismusbereich.

Sind nachhaltige Kulturentwicklung und Eventkultur ein Widerspruch?

Man muss sehen, dass wir in einer Medienökonomie leben. In dem Moment, in dem der Papst die gleichen Eventstrategien benutzt wie Coca-Cola und die Hansestadt Hamburg beim Stadtmarketing die gleichen Überlegungen hat wie ein Unternehmen beim Verkaufen von Produkten, kann man das nicht mehr so genau trennen.

Kultur und Event sind also kein Widerspruch?

Nein. Die Opernfestspiele in Salzburg sind ein Riesenevent und Standortmarketing der Stadt. Die Idee, in Wolfsburg eine große Kunsthalle zu bauen, ist eine Stadtmarketing-Idee. Die traditionelle Theaterkultur ist dann erfolgreich, wenn sie getragen wird von Interessenten in der Stadt oder Leuten, die zugereist sind. Ansonsten interessiert sich die Bevölkerung nicht dafür. Da wäre es vermessen, zu sagen, dass die Theaterkultur unsere Kultur ist, und die Eventkultur ist nicht unsere Kultur. Sondern die Eventkultur ist die Alltagskultur, und die Theater sind dabei, sich an der Eventkultur zu messen. Sie geraten in Zugzwang.