RWE wird zum Opfer der Fusionitis

Gerüchte über eine Übernahme des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns durch die Électricité de France sorgten gestern für Unruhe an den Finanzmärkten. Bestätigt wurde aber nichts. Umweltschützer sprechen von einer „unheilvollen Verbindung“

Dem Energiekonzern RWE droht wegen des Verdachts einer beherrschenden Stellung auf dem Gasmarkt Nordrhein-Westfalens eine drastische Geldbuße und im schlimmsten Fall die zwangsweise Aufspaltung. Die EU-Kommission eröffnete gestern ein Verfahren gegen RWE und dessen italienischen Konkurrenten ENI. Sollte die Kommission den Unternehmen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht nachweisen, drohen Bußen bis zu einem Zehntel des Umsatzes. Zudem könnte Brüssel eine Aufspaltung der Konzerne in Produktion und Transport verfügen. Darauf wies der Sprecher von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes ausdrücklich hin. RWE wies die Anschuldigungen zurück. „Wir handeln nach sauberen Regeln“, sagte RWE-Unternehmenssprecher Wolfgang Schley. DPA

VON STEPHAN KOSCH

Übernahmegerüchte um Deutschlands zweitgrößten Energiekonzern: Die französische EdF will RWE übernehmen, berichtete gestern der Südwestrundfunk. Um dabei kartellrechtliche Probleme zu vermeiden, wolle EdF seine Beteiligung an der Karlsruher EnBW an einen australischen Finanzinvestor verkaufen. Diese Pläne habe EdF bereits im Bundeskanzleramt vorgestellt. Letzteres dementierten sowohl die Bundesregierung als auch der französische Konzern. Dennoch schenkten zumindest die Finanzmärkte dem Bericht Glauben: Die RWE-Aktien stiegen bis zum frühen Nachmittag um über 6 Prozent.

Dass die Nachricht trotz aller Dementis für eine so starke Aktienbewegung sorgte, liegt an der erwarteten Fusionswelle unter europäischen Energiekonzernen. Zuletzt hatte monatelang der Übernahmeversuch der spanischen Endesa durch Eon die Branche in Atem gehalten. Der Versuch scheiterte zwar ebenso wie der Angriff der italienischen Enel auf die französische Suez. Doch solche Megafusionen wären die logische Konsequenz aus der Liberalisierung des europäischen Energiemarktes. „Der Trend geht dahin, dass sich große Energiekonzerne zusammenschließen“, sagte Jürgen Kurz von der Schutzgemeinschaft der Deutschen Kapitalanleger gestern. In fünf bis sieben Jahren erwartet er noch fünf oder sechs große Energieversorger in Europa. Ob RWE dann noch dabei sei, bleibe die Frage.

Denn offenbar ist RWE vom Jäger zum Gejagten geworden. Die Essener wollten als sogenannter Multi-Utility-Versorger eine Vielzahl von Dienstleistungen aus einer Hand anbieten. Doch der Ausflug in die Telekommunikation (Otelo) endete ebenso glücklos wie der Kauf des britischen Wasserunternehmens Thames Water, das mittlerweile wieder verkauft wurde. Das Ergebnis: RWE hat prallgefüllte Kassen und ist in Deutschland gut aufgestellt, allerdings noch nicht groß genug, um nicht selbst geschluckt werden zu können.

Etwa von der Edf, die noch zu gut 87 Prozent dem französischen Staat gehört und bereits fast die Hälfte ihrer knapp 59 Milliarden Euro pro Jahr im Ausland umsetzt. Mit seinem bisherigen Engagement in Deutschland, der Beteiligung bei EnBW, soll der Konzern aber nicht mehr glücklich sein, da die baden-württembergische Landesregierung vor knapp zwei Jahren die Mehrheitsübernahme durch die Franzosen verhindert hatte.

Edf dementierte gestern zwar, dass man bereits den Kontakt zur Bundesregierung gesucht habe. Zu einem möglichen Kaufinteresse äußerte sich der Konzern aber nicht, was einige Beobachter als Bestätigung werteten. „Sollte es zu einer Übernahme kommen, wäre das eine unheilvolle Allianz zwischen Kohle und Atom“, sagte Andree Böhling, Energieexperte bei Greenpeace, der taz. Edf betreibt 19 Atomkraftwerke und plant derzeit den Bau des ersten französischen Europäischen Druckwasserreaktors (EPR). Die Braunkohlekraftwerke von RWE zählen laut World Wide Fund for Nature zu den schmutzigsten Europas. „Wir brauchen Energiekonzerne, die in die Zukunft investieren, und nicht in die Technik von gestern“, sagt Böhling, der von der zunehmenden Marktmacht eines fusionierten Konzerns Nachteile für den Verbraucher befürchtet.

Auch für Alexandra Scheper, Autorin eines kritischen RWE-Reports für die Umweltschutzorganisation Urgewald wäre der Zusammenschluss „hochproblematisch.“ RWE investiere bereits jetzt nur wenig Geld in erneuerbare Energien. Wenn aber Edf den Konzern übernähme, „werden auch diese zarten Pflänzchen im Keime erstickt“.

meinung und diskussion SEITE 11