„Eine Alternative zur großen Koalition“

Die Grünen im Bund hoffen, dass sie es in Bremen endlich wieder schaffen, in einer Regierung vertreten zu sein

BERLIN taz ■ Keine Frage: Die Grünen wollen endlich wieder mitregieren. „Wir könnten es uns auch als Oppositionspartei bequem machen und ungedeckte Schecks verteilen, wie Oskar Lafontaine das tut, aber das wollen wir bewusst nicht“, sagte Grünen-Chefin Claudia-Roth der taz. Ihr Doppelspitzenkollege Reinhard Bütikofer bekräftigte öffentlich: „Wir wollen regieren! Rot-Grün wäre eine attraktive Alternative.“

Für die Grünen hätte eine Regierungsbeteiligung im kleinsten deutschen Bundesland Bremen vor allem symbolische Bedeutung. Um politischen Einfluss über Stimmrechte im Bundesrat geht es nicht. Bremen hat dort 3 von insgesamt 69 Stimmen, die Grünen wären noch dazu kleiner Koalitionspartner der SPD. „Ein rot-grünes Bündnis würde aber deutlich machen, dass es eine Alternative zur großen Koalition gibt“, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. „Es wäre ein Zeichen: Es geht bergauf.“ Für Claudia Roth würden zwei Signale von einem Wahlsieg in Bremen ausgehen: „Erstens, es gibt einen notwendigen Neuanfang. Zweitens, Grün ist nicht out, sondern mega-in.“

Rot-Grün wäre nach wie vor die Lieblingskonstellation der Grünen – auch auf Bundesebene. Die Grünen drücken es vorsichtiger aus, um sich auch andere Türen offenzuhalten. Von einer „ungleichen Äquidistanz“ zu den großen Parteien Union und SPD ist, nicht ganz logisch, die Rede. Solche diplomatischen Formulierungen sind kluges Kalkül, denn momentan stehen die Chancen für Rot-Grün auf Bundesebene schlecht. Wären morgen Wahlen, kämen die beiden Parteien laut Politbarometer zusammen nur auf etwa 42 Prozent. Als die derzeit wahrscheinlichsten Alternativen gelten in Berlin daher eine Dreierkombination unter Beteiligung der Grünen – oder eine Wiederauflage der großen Koalition.

Dass die aktuelle Regierung ein weiteres Mal antritt, scheint derzeit wahrscheinlicher als noch vor ein paar Monaten – dem Aufschwung sei Dank. So wirkt das Stimmungshoch, das viele Deutsche als Erfolg der großen Koalition verbuchen, bei den Grünen eher stimmungsdämpfend. Vor wenigen Monaten noch hörte man SPD-Abgeordnete abends beim Bier über die große Koalition stöhnen. Spätestens nach dem zweiten Bier wurden die guten alten Zeiten von Rot-Grün verklärt. „Mit euch konnte man viel besser reden als mit der Union“, sollen Sozialdemokraten öfters mal zu Grünen-Abgeordneten gesagt haben. Vorbei die gegenseitige Wut auf den Koalitionspartner nach dem vorzeitigen Ende der rot-grünen Regierung 2005, vorbei das Gefühl: „nur gut, dass wir die los sind“, das in den Monaten nach der Wahl die Stimmung prägte. Nun soll die Phase der Neuannäherung von Rot-Grün nicht durch zu viel Erfolg der großen Koalition gestört werden, wünschen sich die Grünen.

Zurzeit ist die Partei in keiner Landesregierung vertreten. In insgesamt 22 Städten – etwa Freiburg, Tübingen und Konstanz – stellen die Grünen immerhin einen Bürgermeister. Und auch in Umfragen legte die Partei in letzter Zeit deutlich zu. Ihr größtes Problem aber ist die mangelnde Wahrnehmung. Seit Klimaschutz zum Mainstream geworden ist, fehlt den Grünen ihr Alleinstellungsmerkmal. Im Bundesland Berlin schien die Renaissance von Rot-Grün nach der Abgeordnetenhauswahl im Herbst nahe. Doch dann entschied sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) für eine Neuauflage von Rot-Rot, obwohl die Linken dramatische Stimmverluste hinnehmen mussten. Grünenchefin Roth warnt davor, in Bremen erneut zu verkennen, wohin der Trend geht: „Auch in Berlin wäre Rot-Grün möglich gewesen, auch in Berlin deutet die Stimmung in der Stadt Richtung Rot-Grün, genauso wie in Bremen.“ KATHARINA KOUFEN