Ist „Mr. Blue Sky“ ein Jahrhundertsong?

Die Charts: Heute mit Electric Light Orchestra, Helmut Schmidt, Salvador Dalí, Fußballpilz, Hertha und Chartline

Musik: Seit einigen Wochen höre ich wieder „Out Of The Blue“. Electric Light Orchestra. Also Jeff Lynne. Man hat mich darauf hingewiesen, dass sich das Erscheinen des Albums in diesem Jahr zum dreißigsten Mal jährt. Das ist ein mindestens so guter Vorwand, wie irgendetwas anderes, was ich jetzt mühsam erfinden müsste. Seither beschäftige ich mich auch mit der Frage, warum „Good Vibrations“ von den Beach Boys als Jahrhundertsong gilt – „Mr. Blue Sky“ von ELO dagegen nur als Scheißdreck. Ist das gerecht? Sagt mir das mal.

Bei „Out Of The Blue“ – und nicht wie fälschlich immer angenommen wird, bei „Blonde on Blonde“ (Bob Dylan) oder gar „Tusk“ (Fleetwood Mac) – ist die Regel tatsächlich außer Kraft gesetzt, dass es stets auch ein einfaches statt eines Doppelalbum getan hätte. Zu Beginn des wiederaufgenommen Studiums dachte ich noch, das eine oder andere Füllstück entlarven zu können. Inzwischen bin ich nur noch bereit, auf „The Whale“ (vierte Seite, zweiter Song) zu verzichten.

Grade eben /

stand ich im Regen /

„Concerto for a Rainy Day“ im Kopf. (Das ist die dritte Seite)

Und da dachte ich: „Out Of The Blue“ ist wirklich ein grandioses Stück Scheiße.

Werbung: Selten war mir in all den Jahren etwas widerlicher – das ist jetzt eine Hyperbel, aber bewusst eingesetzt – als den Bundeskanzler Helmut Schmidt beim Rauchen zu beobachten. Ich fand es immer ein erschütterndes Bild. Es zeigt, was aus Menschen werden kann, wenn sie sich von einer Sucht vollkommen versklaven lassen. Dass mit dem rauchenden Schmidt unter der Kustode „Denken“ nun geworben wird für das neue Zeitmagazin Leben, verdirbt einem die ganze Freude darauf. Was hat das mit „Denken“ zu tun? Erstens leben wir nicht mehr in den 60ern, wo manche Illusionsmaschine noch unbeschwert die Tabakindustrie unterstützte. Zweitens: Sollte man dem Mann nicht im Stillen helfen, statt ihn so vorzuführen? Unter der Gräfin hätte es so was nicht gegeben.

*

U-Bahn-Infotafel der Woche

Für Studien suchen wir

m/w ab 18 mit Fußpilz zwischen den Zehen.

030 / 28043915.“

Vielleicht ist das ja was für Sie?

*

Humor: Wer nicht staatstragend daher- und rüberkommt oder ideologisch bzw. postideologisch depressiv, der gilt schnell als Hanswurst und „leicht“. Das Gegenteil ist richtig. Die schwerste Kunst ist der Humor. Der Surrealist Salvador Dalí war zwar zeitweise staatstragend im Franco-Spanien, aber das Dalí-Museum in Figueres, Europa, ist richtig intelligente Unterhaltung. Macht Spaß und ist auch für Kinder und US-Citizen geeignet. (10.30–17.15 Uhr. 10 €.)

*

Fußball: Zu allem kam dann auch noch hinzu, dass mein Sitzplatznachbar unvermittelt erwähnte, dass er ja kein Rassist sei. Ich wollte mir noch schnell die Ohren zuhalten, aber da schrie er schon: „Jugoslawen, Türken – alle raus!“ So wusste ich wieder, warum ich nur in Ausnahmefällen zu Hertha BSC Berlin gehe. Ich bete (ich bete nicht, aber wenn ich betete, dann betete ich jetzt), dass mein Sohn standhaft bleibt.

*

Die 17 besten Songs aus Out Of The Blue – ELO:

1 Mr. Blue Sky

2 Steppin’ Out

3 Sweet Is The Night

4 It’s Over

5 Sweet Talkin’ Woman

6 Big Wheels

7 Summer And Lightning

8 Jungle

9 Birmingham Blues

10 Wild West Hero

11 Across The Border

12 Turn To Ston

13 Standin’ In The Rain

14 Night In The City

15 Starlight

16 Believe Me Now

17 The Whale

Die Charts im Mai:

Song: „Pop Goes My Heart“ – Hugh Grant, Charline – Wallenstein (1979, Nr. 17 dt. Charts)

Buch: „Energie-Autonomie“ – Hermann Scheer, „Land voller Liebe“ – Jörn-Uwe Albig

Frage: Warum hasst die Bahn ihre Kunden?

PETER UNFRIED über DIE CHARTS

Fragen zum Fußpilz? kolumne@taz.de MORGEN: Arno Frank über GESCHÖPFE