Kuschel-Koalition in Turbulenzen

In Frankfurt regiert Schwarz-Grün seit einem Jahr in Harmonie. Doch plötzlich sagt die CDU-Oberbürgermeisterin beim Thema Flughafen, was sie wirklich denkt

FRANKFURT/MAIN taz ■ Ideologisch sein war vorgestern schick. Programmatisch gestern. Die Grünen in der Finanz- und Bankenmetropole Frankfurt agieren schon länger ausschließlich pragmatisch. Sie sind die ideale Großstadtpartei: Serviceorientiert mit guten Manieren und schon vor einem Jahr reif für ein Bündnis mit der bürgerlichen Union. Dass die Sache „funktioniert“ habe, darin sind sich die Koalitionäre am Main einig. Und dass diese Koalition über den nächsten Kommunalwahltermin 2011 hinaus fortgesetzt werden soll, scheint auch klar zu sein: Die Koalition sei „keine Eintagsfliege“, sagt die grüne Bürgermeisterin Jutta Ebeling.

Vieles, was die traute Zweisamkeit stören könnte, wurde schon vor der Regierungsbildung aus dem Weg geräumt. Zuvor mit Verve bekämpfte Straßenbauprojekte stießen bei den Grünen plötzlich nicht mehr auf schroffe Ablehnung. Und den Streit darüber, ob der Flughafen Frankfurt/Main eine neue Startbahn bekommen soll, umgingen die beiden Parteien. Die Grünen sind gegen den Ausbau, die CDU dafür. In den Koalitionsverhandlungen vor einem Jahr wurde das Thema daher ausgeklammert.

In der Innenstadt hat man den Ausbau des Flughafens ohnehin längst akzeptiert. Nicht nur CDU-wählende Firmenchefs, auch Grüne-wählende Citoyens wollen, dass die Zusammenarbeit im Rathaus funktioniert. Von den täglichen Grabenkämpfen in den diversen Koalitionen der Vergangenheit hat die Basis der Ökopartei die Nase voll.

Befreit von ideologischem Ballast stimmten die Grünen auch für eine deutliche Senkung der Gewerbesteuer, eine Herzensangelegenheit der CDU. Die dadurch entstehenden Einnahmeverluste sollen durch massives Sparen etwa bei den Verkehrsbetrieben kompensiert werden. Der grüne Verkehrsdezernent Lutz Sikorski ist bei den kommunalen Beschäftigten inzwischen äußerst unbeliebt. Stimmenverluste müssen die Koalitionäre deshalb aber kaum fürchten. Bus- und Straßenbahnfahrer gehören nicht zur Stammklientel der beiden Parteien.

151 Projekte und Maßnahmen habe die Koalition in diesem einen Jahr schon in Angriff genommen, ließen Grüne und Union zum Einjährigen stolz verlautbaren: Von der vom gehobenen Bürgertum schon lange geforderten Altstadtsanierung über die Fortsetzung der Heroinvergabe für Schwerstabhängige – ein grünes Essential – bis hin zu 22.000 Euro mehr für einen eritreischen Kinder- und Jugendtreff. Wir sind erfolgreich, ist die Botschaft. Und: Wir streiten nicht.

Noch nicht. Denn ausgerechnet der Wunsch nach dem Ende aller Zwietracht könnte nun zu Streit führen. Dass sich beide Partner beim Thema Flughafenausbaus ausgewichen sind, hatte zunächst zu einer absurden Situation geführt: Bei einer der wichtigsten Fragen der Stadt bestimmte auf einmal die Opposition, wo es langging. Weil sich CDU und Grüne entsprechend den Koalitionsvereinbarungen bei Abstimmungen zur neuen Startbahn enthielten, konnten SPD und Linkspartei letzte Woche einen Antrag durchbringen, der die Stadt zwingen sollte, gegen den Ausbau zu klagen. Petra Roth legte dagegen ihr Veto ein. Das wiederum stellt ein klares Votum pro Startbahn dar, dass die CDU eigentlich vermeiden sollte. Das steckte der Koalitionspartner noch weg, ohne großen Unmut zu zeigen. Doch nur einen Tag später wurde Roth noch sehr viel deutlicher: Eine Entscheidung des Stadtparlaments gegen den Flughafenausbau sei so, „als ob der Hund den Mond anbellt“. Das hörten viele Grüne nicht gern. Die Koalition steht wegen dieses Vorfalls noch nicht in Frage. Die bisher ungetrübte Harmonie hingegen schon.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT