Kein Zug wird kommen

VERKEHR Lokführerstreik verärgert Fahrgäste

„S-Bahn-Verkehr unregelmäßig“ – „Regionalzug fällt aus“: Eine Ansage nach der nächsten schallt durch den Berliner Hauptbahnhof. Servicekräfte in Uniform laufen durch das Gebäude und verteilen Getränke an die wartenden Fahrgäste. Vor den Informationsschaltern der Bahn sammeln sich Menschentrauben. „I’m sorry, do you know what that means?“, fragt ein Schotte und zeigt auf die Anzeigetafel. Hinter vielen der angezeigten Verbindungen steht ein schlichtes: „Zug fällt aus.“

Heidi Adamiec sitzt ein wenig verloren auf einer der Bänke im Bahnhofsgebäude. Um sie herum stehen vier große Koffer, an denen noch die Zettel vom Flughafen Tegel hängen. Sie und ihr Mann kommen gerade aus dem Türkeiurlaub zurück. Von einem Streik haben sie dort nichts mitbekommen. „Jetzt sitzen wir hier fest“, sagt sie. „Wir warten auf den nächsten Zug, aber keiner kann uns sagen, ob der nächste überhaupt kommt. Das ist alles andere als ein gelungener Urlaub.“ Auf der Bank neben ihr sitzt eine norwegische Familie mit zwei Kindern. Auch sie sehen sich ratlos um: „Sieht so aus, als würden wir die Nacht in Berlin verbringen müssen. Unsere Züge fahren heute nicht mehr. Und die Kinder quengeln die ganze Zeit“, sagt der Vater.

Das Chaos hat einen Grund: Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) streikt, von Mittwochnachmittag bis Donnerstagmorgen bleiben die Züge im Fern- und Regionalverkehr stehen. Auch die Berliner S-Bahn ist betroffen. Immerhin: Für die Fahrgäste gibt es noch die Möglichkeit überfüllter Busse und U-Bahnen. Für alle anderen heißt es: abwarten, den spendierten Kaffee der Bahn trinken und sich ärgern.

Es ist der zweite GDL-Streik innerhalb von acht Tagen. Die Streikenden fordern 5 Prozent mehr Gehalt, eine auf 37 verkürzte Stunde Wochenarbeitszeit, eine Beschränkung der Überstunden sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Laut Deutsche Bahn (DB) darf das Zugpersonal erst dann verhandeln, wenn ein Gesetz zur Tarifeinheit verabschiedet wurde. Doch das will man sich nicht gefallen lassen: GDL-Bundesvorsitzender Claus Weselsky erklärt dazu in einer aktuellen Pressemitteilung: „Die DB verlangt von uns, dass wir die Füße stillhalten, bis wir gesetzlich abgeschafft werden.“

Viele der Fahrgäste am Hauptbahnhof haben wenig Verständnis für den Streik. Die Mitarbeiter der Bahn versuchen zu beschwichtigen: „Natürlich war der Streik vorher angekündigt“, erklärt ein Mitarbeiter. „Aber vor allem Urlauber hat die Information oft nicht rechtzeitig erreicht. Die stecken jetzt fest, und uns bleibt nur Schadensbegrenzung.“ Da nicht alle Lokführer streiken, gibt es allerdings auch Ausweichrouten für die meisten Strecken – auch wenn die länger dauern. ALEXANDRA BRECHLIN