Brain-Drain in die Illegalität

Gelsenkirchen, Münster, Paderborn – Professoren kommen nicht aus den Negativ-Schlagzeilen. NRW-Forschungsministerium will Fördermittelvergabe neu regeln. Landtag berät Skandale

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Der Skandal um veruntreute Fördermittel an der Fachhochschule Gelsenkirchen hat das NRW-Wissenschaftsministerium aufgeschreckt. Künftig soll die Technologieförderung strenger geregelt werden. Das Forschungsressort werde „Vergabe, Controlling und Evaluierung“ verbessern, damit die Gelder möglichst wirksam eingesetzt werden, sagte ein Sprecher von FDP-Hochschulminister Andreas Pinkwart: „Gegen Betrüger wird man sich niemals vollständig schützen können, aber missbrauchsanfällige Konstruktionen wie bei der Förderung des Inkubator-Zentrums in Gelsenkirchen dürfen nicht mehr vorkommen.“

Gestern beriet erneut der Haushaltskontrollausschuss des Düsseldorfer Landtags über die Affäre an der FH Gelsenkirchen – die Sitzung war bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht beendet. In das Gelsenkirchener Gründerzentrum sowie angebundene Schein- und Beraterfirmen sollen insgesamt mehr als 30 Millionen Euro an öffentlichen Geldern geflossen sein. Gegen mehrere Professoren, Unternehmer und einen Düsseldorfer Ministerialbeamten wird wegen Verdachts auf Subventionsbetrug und Bestechlichkeit ermittelt (taz berichtete). Nach wochenlangem Abwarten erwägen die NRW-Grünen im Landtag nun doch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um den Skandal aufzuklären (siehe Interview).

Was im März als Gelsenkirchener FH-Skandal begonnen hatte, ist längst zur Belastung für die gesamte Förderlandschaft geworden. Der neueste bekannt gewordene Fall von angeblichem Betrug mit Fördermitteln an einer Hochschule soll sich an der Universität Paderborn abgespielt haben. So hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen einen ehemaligen Professor der Hochschule Vorermittlungen eingeleitet. Bei dem Beschuldigten handelt es sich laut Berichten der Lokalpresse um einen 65 Jahre alten emeritierten Mathematikprofessor, der ein Forschungsprojekt für ein Computer-Algebrasystem geleitet haben soll. Bekannt geworden waren die Vorwürfe durch eine anonyme Anzeige, die bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld eingegangen war. Die Höhe des möglicherweise verursachten Schadens ist bislang nicht bekannt.

Bereits im April hatte die taz über die Münster-Connection der Gelsenkirchener Inkubator-Professoren berichtet. Ein mittlerweile wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verhafteter Ministerialrat spielte offenbar eine Doppelrolle. Der Landesbeamte war bis vor zwei Jahren nicht nur für die Verteilung von Strukturhilfen im Finanzministerium zuständig, sondern saß gleichzeitig auch im Beirat des Instituts für Chemo- und Biosensorik GmbH (ICB) in Münster, einer der verdächtigen Firmen aus dem FH-Umfeld.

Die Genehmigungsbehörden scheinen dem Dilemma zwischen politisch gewolltem und innovativem Wissenstransfer von der Universität in die Wirtschaft und der dadurch entstehenden Anfälligkeit für Selbstbedienung kaum entgehen zu können. „Letztlich müssen wir das reinwaschen, was vorher verbockt wurde“, sagte ein Mitarbeiter einer für die Vergabe von Fördermittel zuständigen Behörde der taz. Gerade bei Prestigeprojekten wird ihm zufolge häufig nicht so genau hingeschaut. „Für eine korrekte Prüfung erntet man nur Prügel“, sagt er.

Und auch das Düsseldorfer Forschungsministerium hat keinen wirklichen Überblick über die blühende Landschaft der universitätsnahen Firmen in Nordrhein-Westfalen. Auf die Frage, wie viele privatwirtschaftliche Unternehmen und Ausgründungen im Umfeld von NRW-Hochschulen derzeit vom Land gefördert werden, antwortete gestern ein Behördensprecher: „Die Frage ist nur durch eine aufwändige Recherche über alle Ministerien hinweg zu beantworten und hängt erheblich von der Definition des erwähnten ‚Umfelds‘ ab.“