: Mathematik der Karibik
MATHE-ROCK Mit dem zweiten Album „Gloss Drop“ meldet sich die New Yorker Math-Rock-Supergroup „Battles“ furios zurück: Zum Trio geschrumpft, dafür mit illustren Gästen
VON ROBERT MATTHIES
Auf ihrem Debüt „mirrored“ auf dem bis dahin vor allem für Elektronik-Grenzverschiebungen bekannten Warp-Label haben die New Yorker Battles 2007 gleich die ganze zeitgenössische Musik durchs Zerrspiegelkabinett geschickt: eine hochgradig vertrackte und bis kurz vor die Explosion verdichtete Mischung aus Maschinen-Code-Gitarren-Haken, ADHS-Roboter-Rhythmen, enthumanisierten Stimmen und bio-mechanisch in Klang umprozessierter Hochenergiephysik-Mathematik, die sich einfach in keine bekannte Musik-Schublade stecken ließ. Die aber bei aller Undenk- und Untanzbarkeit immer noch Unterhaltungsmusik blieb und mit „Atlas“ auch einen veritablen Hit verbuchen konnte.
Die Protagonisten des gelungenen Rock-Jazz-Elektronik-Hybrid-Experiments waren aber auch beileibe keine unbedarften Neulinge: Gitarren, Keyboards und Gesang lieferte neben Avantgarde-Komponisten-Sohn Tyondai Braxton Ian Williams, der schon mit Don Caballero und Storm & Stress ausgiebig Frickel-Mathe studiert hat, mit Lynx’ Dave Konopka steht am Bass eine verdiente Bostoner Matherock-Größe und Schlagzeuger John Stanier hat einst für Helmet die Sticks gewirbelt.
Jetzt meldet sich die Experimental-Math-Rock-Supergroup vier Jahre nach „mirrored“ nicht minder furios zurück. Dabei sind Battles im letzten Jahr zum Trio geschrumpft: Statt Tyondai Braxton, der sich mitten in den Aufnahmen zugunsten seiner Solo-Projekte verabschiedet hat, steuern auf „Gloss Drop“ diesmal illustre Gäste die sparsamer eingesetzten Stimmen bei: neben Synth-Pop-Legende Gary Numan geben sich Yamantaka Eye von den japanischen Avantgarde-Rockern Boredoms und Blonde Redheads unvergleichliche Kazu Makino die Ehre. Und auch sonst kann sich das verbleibende Trio hören lassen: All die Lücken, die vordem Braxtons Hyperaktivität ausgefüllt hat, bieten plötzlich Raum für kleine Spielereien und fraktales Leben, tropische Wärme und Feuchtigkeit, pulsierende Psychedelik und mitunter sogar verträumte Tanzbarkeit – eine bei aller immer wieder auch rasanten Komplexität wunderbar leichte Mathematik der Karibik ist an die Stelle der strengen Formelhaftigkeit getreten.
■ So, 12. 6., 21 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen