: berliner szenen Der Kinovirus
Scorseses Küchentür
Anlässlich des Erscheinens des Buches „Hundert Filme für Kinofans“ hat das Babylon-Kino zum Gespräch zwischen Autor Thomas Binotto und dem Kameramann Michael Ballhaus geladen. Als dieser von Binotto mit den Worten „Michael, du bist ganz offensichtlich vom Kinovirus befallen“ vorgestellt wird, rechne ich schon mit dem Schlimmsten – um dann vom weiteren Verlauf des Abends angenehm überrascht zu werden.
Denn in den folgenden zwei Stunden werden nicht nur Ausschnitte aus Filmklassikern gezeigt, sondern Michael Ballhaus ergeht sich zudem in unzähligen Anekdoten über Scorsese-Drehs. So erfahre ich, dass Tom Cruise für „Die Farbe des Geldes“ das Billardspielen erst erlernen musste oder dass die Kamera in der legendären Copacabana-Szene in „Goodfellas“ die Küche durch dieselbe Tür verlässt, durch die sie gekommen ist. Lustig wird es, als sich der Computer weigert, einen Ausschnitt aus „Lola Montez“ abzuspielen, und dafür mehrmals eine bombastische Fanfare ertönt oder als als eine Frau im Publikum bei einer Murnau-Kussszene wehmütig seufzt.
Während der Diskussion lästert Michael Ballhaus über „diesen Film, den ich ganz schlecht fand“, womit Valeska Grisebachs „Sehnsucht“ gemeint ist, was ich ein wenig gemein finde. Als sich ein Zuschauer kurz darauf langatmig über die mangelhafte Synchronisation englischsprachiger Filme ereifert, gelingt es Ballhaus jedoch postwendend, mit der trockenen Antwort „Ich wollte, ich hätte Ihre Frage verstanden“ meine Zuneigung zurückzuerobern. Kurz darauf geht ein unterhaltsamer Abend zu Ende, der die Zuschauer um jede Menge überflüssiges – und deshalb umso notwendigeres – Filmwissen bereichert hat. ANDREAS RESCH
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