MARCUS BENSMANN ÜBER DEN KONFLIKT ZWISCHEN KIRGISEN UND USBEKEN
: Kirgisien wie Serbien

Die kirgisische Mehrheitsgesellschaft erinnert ein Jahr nach dem ethnischen Konflikt zwischen Usbeken und Kirgisen immer mehr an Serbien, wo sich Nationalisten über die Verhaftung von Ratko Mladic empören, statt Empathie mit den Opfern des Bürgerkriegsgenerals zu zeigen.

Die systematische Wahrheitsverweigerung findet dabei in einer Zeit des demokratischen Aufbruchs des zentralasiatischen Landes statt. In keinem Staat der Region gibt es ein derart demokratisch gewähltes Parlament, eine so relativ freie Presse, eine so selbstbewusste Zivilgesellschaft. Kirgisien beweist, dass Freiheit und Demokratie eine Gesellschaft vor ethnischem Hass nicht nur nicht schützen, sondern diesen sogar befördern.

Bis auf wenige Ausnahmen sehen sich die Kirgisen als Opfer der Unruhen, die in der Nacht zum 11. Juni 2010 begannen. Drei Viertel der über 450 offiziell bekannten Getöteten sind aber Usbeken. Trotzdem beschuldigt die kirgisische Öffentlichkeit unisono die Usbeken, den Konflikt provoziert zu haben.

Die Internationale Untersuchungskommission stellte Anfang Mai fest, dass es keinerlei usbekische Separationsbewegung gegeben habe. Sie beurteilt die Plünderungen der usbekischen Wohnviertel als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Als Reaktion erklärte das kirgisische Parlament unter dem Jubel der Öffentlichkeit den Leiter der Untersuchungskommission, Kimmo Kiljunen, mit nur einer Enthaltung zur Persona non grata.

Die gezielte Wirklichkeitsverweigerung bedroht nicht nur den kirgisischen Staat, sondern sie stellt auch die westliche Demokratiehilfe infrage. Es gibt kein Land in Zentralasien, in dem der Westen so viel für die Förderung von Pressefreiheit und Zivilgesellschaft ausgegeben hat. Nun zeigt sich, dass mit den Euros und Dollars kirgisische Nationalisten gefördert wurden.

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