berliner ökonomie
: Auf Pille endlos Abwasch spülen

Macht Doxepin paranoid? Und welche Gefahren bringt mit Mehl gestrecktes Kokain? Ein Gang über den aktuellen Drogenmarkt

Benzodiazepine (Benzos): Wegen des versuchten Verkaufs von drei Tabletten bekam ich einmal 400 Euro Strafe wegen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Eine Pille kostet am Kottbusser Tor 1 bis 2 Euro. Manche Apotheken fordern ein BTM-Rezept, eine 20er-Packung kostet bei ihnen 10–12 Euro. Diese „Beruhiger“ (Tranquilizer) wirken nicht beruhigend, im Gegenteil: Man macht damit verrückte Sachen, die man sich sonst nicht traut. Sie heißen deswegen auch „Klau-Pillen“.

Antidepressiva (Doxies – kurz für Doxepin): Auf dem Schwarzmarkt zahlt man für 100 Milligramm 1–2 Euro. Sie machen blöd, indem sie den Geist ausschalten – je nach Mittel mehr oder weniger komplett. Dafür wird man immer träger und dicker und kann 24 Stunden durchschlafen. In Gefängnissen wird den Drogenabhängigen gerne „Aponal“ verabreicht, um sie zu beruhigen. Ich habe zu Hause einmal mal 6 Pillen à 25 mg genommen und dann stundenlang abgewaschen – immer ein und denselben Teller, bis das Spülbecken überlief und der unten drunter lebende Nachbar hochkam, um sich über die feuchte Decke zu beschweren, woraufhin ich mein Hemd auszog und es ihm ins Gesicht warf. Das weiß ich aber alles nur von meinem Mitbewohner. Wenn man süchtig nach Doxies ist, wird man mit der Zeit paranoid.

Ersatzopiate (Meta oder Pola – kurz für Methadon bzw. Polamedon): Für den legalen Erwerb muss man an einem Substitutionsprogramm teilnehmen – das kostet je nach Dosierung 10–20 Euro im Monat. Weil vielen Opiatabhängigen das zu umständlich ist, kaufen sie ihre Metas oder Polas am Zoo oder am Leopoldplatz. Dort kostet ein Milliliter meist einen Euro, das macht in der Regel täglich 10 Euro für auch noch gepanschtes Zeug. Im Programm bekommt man die Mittel unter Aufsicht zum Trinken. Nicht selten verkaufen die Meta- bzw. Pola-Dealer das Zeug, das sie im Substitutionsprogramm bekommen, um sich von dem Geld Heroin zu kaufen.

Kokain (Koks/Koka): Muss leicht gestreckt verkauft werden. 1 Gramm kostet 80–100 Euro. Als Streckmittel wird meistens eine kleine Prise Strychnin (Rattengift) verwendet, aber nach mehreren Todesfällen 2006 wird es nun immer öfter durch Lidocain ersetzt, ein Lokalanästhetikum aus Zahnarztpraxen. Wenn man das damit gestreckte Kokain fixt, verursacht es starke Krampfanfälle, weshalb es in der Scene auch Schüttelzeug heißt. Eine Bekannte vor mir biss sich dabei einmal ein Stück ihrer Zunge ab. Kleine gemeine Dealer (Ratten) strecken das Kokain auch mit Milch- bzw. Puderzucker oder sogar mit Mehl, was beim Spritzen Thrombosen verursachen kann. Große Kokainschnupfer meinen nach einiger Zeit, alle ihre Ideen sind brillant und jedes Geschäft verläuft reibungslos. Wenn es mit ihnen abwärts geht, greifen sich auch auf billigere Aufputschmittel zurück.

Amphetamine (Speed/Ecstasy/Smarties): Diese Tanz- und Partydroge wird oft in Diskotheken, im Sommer auch an Badeseen verkauft. Japanische Touristen sind ganz wild danach. Eine Pille kostet 5–20 Euro. Viele Dealer, die Geschäfte mit harten Drogen machen, nehmen Speed, das macht es ihnen leichter. Ähnliches gilt für die Frauen in der Porno- und Bordell-Szene. Außerdem nehmen übergewichtige Frauen gerne Amphetamine, weil sie ihnen den Appetit nehmen und sie auf Trab halten.

Halluzinogene (LSD, Pilze, Mescalin etc.): LSD kam früher nach Westberlin aus der Humboldt-Universität – und war ziemlich gut. Heute ist der Stoff oft mit billigen Amphetaminen versetzt. Es wird groß in den Osten geschmuggelt, wo es einen Nachholbedarf an „LSD-Erfahrungen“ gibt. Hier kostet ein „Trip“ etwa 20 Euro, in Kiew 50 Dollar. Der LSD-Markt ist überwiegend in deutschen Händen, für pflanzliche Halluzinogene (Pilze/Mescalin etc.) gibt es praktisch keinen Markt: Man bekommt das Zeug nur durch Zufall und Beziehungen. Der normale Junkie oder Polytoxikomane (Allesfresser) verschmäht sie zwar nicht und experimentiert auch gerne mit ihnen (in Form von Drogencocktails), aber bisher sind die Halluzinogene vorwiegend nur für Liebhaber. Ähnliches gilt für Morphium. Weil immer mehr Kranken im Endstadium (HIV, Krebs usw.) Morphium verschrieben wird, kommt seit 2005 auch immer mehr von diesem Zeug in den Handel. Eine Morphium-Tablette kostet 3–5 Euro. Es gibt bereits regelrechte Fankreise dafür.

Tiledin (Valoron z. B.): Ein Schmerzmittel, das gerne von Jugendlichen genommen wird: Sie nehmen es u. a. vor Prügeleien, weil das Mittel aggressiv macht und man Verletzungen nicht so schnell spürt. Zunächst hatte es auch noch eine stark euphorisierende Wirkung, diese wurde jedoch vom Hersteller mit dem Wirkstoff Naloxon gedämpft. Auf dem Schwarzmarkt kostet ein Fläschchen rund 45 Euro, er beschränkt sich jedoch auf Gegenden, wo es viele Jugendgangs gibt. Ältere Menschen kriegen es z. B. bei Rückenschmerzen verschrieben, einige verkaufen es dann weiter. LILLI BRAND