In der Tradition von Putin

Das Demonstrationsverbot beschert den G-8-Gegnern neue Sympathisanten, inzwischen auch im konservativen Lager

AUS BERLIN KATHARINA KOUFEN

Besser könnte es für die Gegner des G-8-Treffens in Heiligendamm gar nicht laufen. Erst die Polizeirazzien bei Linken in Berlin und Hamburg. Jetzt ein Verbot von Versammlungen und Demonstrationen in der Region um Heiligendamm (siehe Text unten). „Wir werden von einer Welle der Sympathie überschwemmt“, sagt Attac-Mitbegründer Sven Giegold – auch aus Milieus, die sonst nicht zum Umfeld der G-8-Gegner gehören. Denn die Maßnahmen gegen den Protest gehen selbst einigen Konservativen und Liberalen zu weit.

So äußerte Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Norbert Walter jüngst öffentlich Sympathie für die Ziele der Globalisierungskritiker. Der frühere CDU-Generalsekretär und Minister Heiner Geißler trat sogar bei Attac ein – als erstes prominentes Mitglied einer Partei, die vor wenigen Jahren noch davon ausging, dass die Attac-Führung „zur Hälfte linksextremistisch“ sei, teilweise aus dem „Dunstkreis der DKP“ stamme und die Gewaltfrage nicht geklärt habe. Zur Begründung sagte Geißler, dass er „das Recht auf gewaltfreie Demonstration nachdrücklich unterstütze“.

Wenn es um die Einschränkung von Bürgerrechten geht, leuchten die Alarmlampen auch bei der FDP auf. Sonst sieht sich die Partei als Verfechterin eines liberalen Wirtschaftssystems – und gehört damit inhaltlich zu denen, gegen die sich die Proteste richten. Doch in diesem Fall kritisiert der FDP-Innenexperte Max Stadler im Einklang mit den Gipfelgegnern: „Ein dermaßen umfassendes Demonstrationsverbot halte ich für übertrieben“ – selbst wenn er ansonsten der Meinung ist, die Sicherheitsbehörden hätten einen berechtigten Anlass zur Sorge. Auch die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, mahnte bereits, das Recht auf friedlichen Protest dürfe nicht beschnitten werden.

Bei den protestnahen Parteien, der Linkspartei und den Grünen, fachte das Demonstrationsverbot die noch schwelende Empörung über die Polizeirazzien neu an. Für Katja Kipping, Vizechefin der PDS, zeige sich nun deutlich, „dass die Bundesregierung sich entschieden habe, dieses Großereignis in der unseligen Tradition von Putin und Berlusconi zu bewältigen“. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, „Sinn einer Demonstration ist, dass Protest auch in Hör- und Sichtweite des Gipfels geschehen kann. Wer das verhindern will, will sich vor Kritik schützen. Das ist ein Armutszeugnis und nicht Ausdruck von Stärke eines Rechtsstaats.“

Auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz distanzierte sich von dem Verbot. Es müssten „sehr gute Gründe“ vorliegen, um dies zu rechtfertigen.

Nach Auffassung des Bundesinnenministerium gibt es solche Gründe. „Wir wissen von Aktionen, die zumindest gefährdenden Charakter haben“, sagte Staatssekretär August Hanning. „Wir haben die Pflicht, dass wir alles tun werden, um unsere Gäste zu schützen.“ Die Polizeidirektion Rostock begründete ihr Vorgehen damit, globalisierungskritische Kreise hätten öffentlich dazu aufgerufen, den G-8-Gipfel von seiner Infrastruktur abzuschneiden. Zu solchen Blockaden sollte wohl auch der „Antimilitaristische Aktionstag“ in der Nähe des Flughafens Rostock gehören. Die Organisatoren geben freimütig zu, dass sie eigentlich geplant hatten, die Maschinen der Delegationen am Starten zu hindern.