Demonteur der Diktatur

Filme bleiben, Diktatoren vergehen. Das Instituto Cervantes und das 3001 präsentieren vom 21. bis zum 29. Mai in einer Retrospektive den spanischen Regisseur Basilio Martín Patino und vier ausgewählte Filme

Basilio Martín Patino, in Deutschland kaum bekannt, gilt als Altmeister des spanischen Kinos. 1930 geboren, gehört er wie Carlos Saura zu der Generation von Filmemachern, die im Spanien der Franco-Diktatur aufwuchsen und ihre ersten Filme unter den Bedingungen der Zensur drehen mussten. Mittlerweile vielfach ausgezeichnet, auch für sein Lebenswerk, weitet das spanische staatliche Instituto Cervantes mit der Präsentation von Patino seine kulturellen Aktivitäten in Hamburg mit einem Highlight aus.

Das 3001-Kino als jährlicher Gastgeber der Spanien- und Lateinamerika-Filmtage baut seinen Schwerpunkt mit dieser Kooperation weiter aus. Basilio Martín Patino wird zur Eröffnung der Filmreihe nach Hamburg kommen und mit Helena Cortés, der Direktorin des Instituto Cervantes Hamburg, Rainer Krisp vom 3001-Kino und dem Hamburger Filmwissenschaftler Thomas Tode sprechen. Zum Auftakt wird es „eine kompakte Vorstellung des Filmemachers in Bezug auf die in der Retro gezeigten Filme geben, von denen ich einige kurze Ausschnitte zeigen will“, so Thomas Tode gegenüber der taz. Wie Patino unter der Franco-Diktatur seine Filme gemacht hat, inwieweit es möglich war, in Filmen die Diktatur zu kritisieren, „darum wird es in dem Fragenteil an den Regisseur zentral gehen. Das soll er aus seiner Sicht, mit seinen Erfahrungen schildern“, so Thomas Tode weiter.

Patino ist für seine pointierten Äußerungen bekannt. Anfang Mai nutzte er seinen Auftritt beim Filmfestival von Viareggio in Italien für die Ankündigung, die Rechte an seinen Filmen zurückkaufen zu wollen, um diese zum kostenlosen Download im Internet bereitzustellen. Patino hatte vor zwei Jahren einen Streit mit dem spanischen Staatsfernsehen TVE über die Ausstrahlung eines seiner Filme, in dem er zurückstecken musste, weil er die Rechte nicht innehatte. In Viareggio kritisierte er, die heutige Filmproduktion sei zu kommerziell und ängstlich, gebe neuen abweichenden Impulsen keine Chance und vergesse die alten Filme des Protestes. Die Regeln der Filmverwertung bezeichnete Patino als „neue Zensur“: Viele seiner Weggefährten, die in den 60er Jahren wie er zum oppositionellen „neuen spanischen Kino“ gehörten, seien vergessen, würden keine Aufträge bekommen, keine Chancen, Filme zu machen.

Auch beim Festival „Punto de Vista“ in Pamplona kritisierte Patino im März, dass die Ermüdung dem Kino gegenüber ihren Grund habe: „Durch die Dominanz des Fernsehens gibt es ein anderes Konzept, etwas in Szene zu setzen“ – braver. Das Kino sei heute dem Marktgesetz unterworfen. Ein Gegner neuer Techniken ist der 76-Jährige indes nicht und begrüßt die durch digitale Technik preiswerteren Produktionsbedingungen: „So können junge Filmmacher wunderbare Sachen machen, ohne sich darum sorgen zu müssen, ob diese kommerziell verwertbar sind.“

Im Rahmen der Retrospektive laufen Filme von Patino, in denen immer wieder sein großes Thema auftaucht: Der spanische Bürgerkrieg von 1936 bis ’39, die folgende bleierne Zeit unter dem „gottgesandten“ Generalissimus Franco, die kollektive Erinnerung: „Unsere Generation ist die der Söhne der Besiegten, wir sind die Ersten, die fragen konnten.“ Der Eröffnungsfilm „Canciones para después de una guerra“ – „Lieder für die Zeit nach einem Krieg“ – von 1971 versucht, die offizielle Sicht der Diktatur zu brechen, mit Mehrdeutigkeiten zu unterlaufen. Es ist eine handwerklich für die damalige Zeit bahnbrechende Demontage von Bildern aus offiziellen Wochenschauen zu neuen Bildfolgen, die mit Musik aus der Zeit kontrastiert werden. Der Film hat einen unkontrollierten Subtext, der mit seiner Ambivalenz subversive Gedanken nahelegt. Der Film wurde klandestin montiert und produziert, Francos Stellvertreter Carrero Blanco organisierte persönlich das Verbot des Filmes.

Aber: „Filme bleiben, Diktatoren vergehen“, so Patino. Carrero Blanco wurde noch 1974 Opfer der baskischen ETA – und “Canciones para después de una guerra“ läuft jetzt im 3001.GASTON KIRSCHE

21. 05., 19 Uhr, 3001: Gespräch und Start der Patino- Retrospektive. Programm: www.3001-kino.de