Bürger werden zu Energiewirten

Auch ohne Einfamilienhaus mit entsprechendem Dach lässt sich in die Photovoltaik investieren. Bürgersolaranlagen machen es möglich. Mit 120 Initiativen ist Bayern Vorreiter. Die Teilhaber investieren im Schnitt 1.000 Euro für einen Platz an der Sonne

VON TILMAN VON ROHDEN

„Wir suchen BürgerInnen, die sich mit Anteilen von mindestens 500 Euro für 20 Jahre an Berliner Bürgersolaranlagen beteiligen wollen!“ So versucht der Solarverein Berlin, neue Teilhaber für seine Projekte zu werben: Photovoltaikanlagen auf Berliner und Brandenburger Dächern. Der Verein existiert seit 2003 und ist aus einer Zukunftswerkstatt hervorgegangen. Ursprünglich nur für einen Berliner Bezirk geplant, war schnell klar, dass das große Interesse eine berlinweite Ausdehnung und darüber hinaus nach Brandenburg nahelegt.

Der Solarverein hat mittlerweile fünf Solaranlagen in Berlin und Brandenburg gestemmt. Die Projekte werden immer auf die gleiche Weise durchgeführt: Der Solarverein sucht Teilhaber für eine Anlage und organisiert sie in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). „Wir arbeiten die Verträge unterschriftsreif aus, die Teilhaber müssen nur noch die Einlage erbringen und den GbR-Vertrag unterzeichnen“, sagt Jürgen Hübner-Kosney, Vorstandsmitglied des Vereins. „Auch die Ausschüttungen aus dem Betrieb der Solaranlage sind im Vertrag fixiert.“

Der Solarverein unterstützt die GbR-Mitglieder bei der Erstellung des Jahresabschlusses und allem Know-how, das für einen erfolgreichen Betrieb der Anlage notwendig ist. Das schließt auch die Ausarbeitung des Vertrages für die Dachnutzung ein. Der Solarverein sucht private oder kommunale Eigentümer, die ein Dach möglichst kostenfrei zur Verfügung stellen. Das Risiko für die Betreiber einer Solaranlage ist begrenzt. Denn die 20 bis 40 GbR-Teilhaber würden durchschnittlich nur rund 1.000 Euro investieren, so Hübner-Kosney. Die Einnahmeseite sei gut zu kalkulieren, da der Preis für den Strom, der ins Netz gelangt, gesetzlich festgelegt sei.

Diese Einspeisevergütung ist nach dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) auf 20 Jahre garantiert und nimmt jährlich um 5 Prozent ab. Derzeit liegt die Vergütung bei rund 49 Cent pro Kilowattstunde. Ein Unsicherheitsfaktor ist die Sonne. Wenn sie sich hinter Wolken versteckt, macht die Solaranlage keinen Gewinn. Hübner-Kosney tut sich deshalb schwer, auf Anfrage die zu erwartende Rendite zu nennen. Er sagt nur, bisher habe jede vom Berliner Solarverein geplante Anlage die Erwartung an die Wirtschaftlichkeit übererfüllt.

Die Geschichte der Solarvereine beginnt 1993 im bayerischen Freising. Dort fasste der Stadtrat den Beschluss, eingespeisten Solarstrom kostendeckend zu vergüten. Die Bürger sollten dafür 0,01 Pfennig pro Kilowattstunde berappen.

Eine maßgeblich treibende Kraft war damals Ernst Schrimpf. Der Professor für Landschaftsarchitektur an der Fachhochschule Weihenstephan bearbeitete durch Vorträge und Vorführungen einer Solaranlage eine Parteifraktion nach der anderen, sodass sich am Ende eine überwältigende Mehrheit für die kostendeckende Vergütung im Stadtrat ergab. Die Freisinger Solarinitiative mutierte schnell zu einem Verein, der die erste von Bürgern betriebene Solaranlage Deutschlands Wirklichkeit werden ließ.

Die Freisinger Solarszene unterstützte die Gründung weiterer Initiativen organisatorisch und mit Know-how, sodass sich im Laufe der Jahre 120 Solarinitiativen in Bayern gründeten. Diese Initiativen bereiteten mit ihren Aufklärungskampagnen zur Energiewende den Boden für die sich später bildenden Bürgervereine, die sich den Betrieb von Solaranlagen zum Ziel setzten. Nach Schätzung von Schrimpf gibt es allein in Bayern zwischen 15 und 20 solcher Gesellschaften. Damit ist Bayern der Primus unter den Bundesländern. Maßgeblich hierfür seien, so Schrimpf, die bayerischen Kommunen, die mit Beschlüssen ähnlich wie in Freising Solaranlagen in Bürgerhand zu einem lohnenden Geschäft gemacht hätten.

Green City ist eine dieser bayerischen Bürgergesellschaften. In diesem Verein haben sich die meisten der Münchner solarbewegten Bürger zusammengeschlossen. Mittlerweile hat die Organisation Green City Energy GmbH für den Betrieb der Anlagen gegründet, da dies unter dem Vorzeichen eines eingetragenen Vereins problematisch gewesen wäre. Rund 100 größere Immobilien, darunter den bayerischen Landtag, hat Green City Energy bisher mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet. Die installierte Leistung beträgt rund 2 Megawatt. Kleinere Anlagen auf Einfamilienhäusern beispielsweise realisiert Green City Energy im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht mehr. Das sei aufgrund der Kostensituation mittlerweile „Liebhaberei, aber keine kosteneffiziente Lösung“, sagt Thomas Prudlo, Geschäftsführer der Green City Energy GmbH.

Prudlo beurteilt die nähere Zukunft skeptisch. Da die Vergütungen aus dem Erneuerbare Energien-Gesetz jährlich sinken würden und zugleich die Preise für Solarmodule in der Vergangenheit stark gestiegen seien, befinde man sich heute in einer „Grenzsituation“. Zwar könne Green City Energy den Investoren noch Renditen von 6 bis 6,5 Prozent in Aussicht stellen, aber die GmbH würde dabei kaum noch etwas verdienen, sodass neue Projekte nicht mehr geplant seien, so Prudlo.

Für so viel Skepsis sieht Ernst Schrimpf keinen Anlass: „Spätestens in der zweiten Jahreshälfte wird das Preisniveau bei den Sonnenkollektormodulen bröckeln. Dann gibt es neuen Spielraum für weitere Projekte.“