Das Geschäft mit dem Titel

DR. Die Nachfrage nach akademischen Titeln ist groß. Aber nicht jeder will jahrelang in Uni-Bibliotheken sitzen. Muss man auch nicht. Denn der Doktor ist käuflich

Vereinbarungen über ein Ghostwriting sind nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit prinzipiell zulässig.

Strafbar macht sich jemand, der eine eidesstattliche Erklärung abgibt, eine wissenschaftliche Arbeit eigenständig verfasst zu haben, obwohl sie von einem Ghostwriter verfasst wurde.

Der Ghostwriter macht sich der Beihilfe strafbar, wenn ihm bekannt ist, dass seine Arbeit unter anderen Namen eingereicht wird. In der Praxis ist Ghostwriting schwer nachweisbar.

Der Deutsche Hochschulverband forderte 2012 den Gesetzgeber auf, einen bislang nicht existenten Straftatbestand „Wissenschaftsbetrug“ zu schaffen.

Auf einem Aushang in einem Berliner Café ist zu lesen: „Akademikerpaar sucht Wohnung hier im Kiez.“ Offenbar erhoffen sich die beiden mit der Erwähnung ihrer akademischen Abschlüsse Vorteile auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt in dem beliebten Viertel. Statistisch belegt ist ihre Hoffnung nicht, ganz abwegig ist ihre Erwartung aber auch nicht.

In der „Wissensgesellschaft“ – der US-amerikanische Soziologe Daniel Bell machte den Begriff in seinem Werk „Die nachindustrielle Gesellschaft“ 1973 populär – wird Wissen zum ökonomischen Faktor neben den bekannten Ressourcen Bodenschätze, Kapital und Arbeit. Eine ganze Gesellschaft sucht nach neuen Ideen, kämpft um beste Köpfe, bildet sich fort.

Dieser Wissensdrang spiegelt sich in der jährlichen Erstsemesterstatistik: Über 500.000 schrieben sich im vergangenen Studienjahr ein und damit fast doppelt so viele Menschen wie Anfang der 90er Jahre. Jeder Zweite eines

studiert heute. „Das Studium ist Normalität geworden“, konstatiert das wirtschaftsnahe Centrum für Hochschulentwicklung. Auch wenn Kritiker wie der Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin erfolgreich Bücher gegen den „Akademisierungswahn“ publizieren, die Vorteile liegen auf der Hand: Ein Studium lohnt sich, es ist eine Trittleiter zu höheren Einkommen und höheren Positionen.

Ein Akademiker verdient nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in seinem Leben 2,3 Millionen Euro und damit rund eine Million Euro mehr als jemand, der einen Berufsabschluss hat und nie studierte. Wie hoch der Lohnvorteil für einzelne Berufe ist, hat das Deutsche Institut für Wirtschaft im Jahre 2012 auf Basis der Daten des Mikrozensus erhoben. Demnach erzielen Frauen und Männer die höchsten Stundenlöhne in den Fächern Zahnmedizin und Medizin. Für Männer lohnen sich im Folgenden die Fächer Betriebswirtschaftslehre und Jura sowie Wirtschaftsingenieurwesen, für Frauen zahlen sich ein Jura- und ein Lehramtsstudium aus.

Die guten Einkommenserwartungen insbesondere in den Fächern Wirtschaftswissenschaften, Medizin und Jura schlagen sich auch in den Studierendenzahlen nieder. Aktuell sind knapp 90.000 Menschen im Fach Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben und damit viermal so viele wie vor 40 Jahren. In Medizin und in Jura verdoppelte sich die Zahl der Studierenden in diesem Zeitraum auf über 80.000 beziehungsweise auf über 100.000, ohne dass sich die Bevölkerung verdoppelt oder vervierfacht hätte.

Trotz des Andrangs an den Hochschulen hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Absolventen nicht verschlechtert. Die Arbeitslosenquote unter Akademikern lag den

des IAB zufolge im Jahre 2012 bei 2 Prozent – und damit auf dem gleichen Stand wie 1980. Unter den Menschen mit einer beruflichen Ausbildung ist die Arbeitslosenquote immerhin doppelt so hoch, aber mit 4 Prozent auch nicht wirklich dramatisch. Nur für diejenigen, die keine Ausbildung haben, hat sich der Wind gedreht – fast ein Fünftel von ihnen hat offiziell keine Arbeit.

Gerade in der Medizin und in der Veterinärmedizin stellt eine Promotion heute noch den Regelabschluss dar. In der Medizin sei der Titel gern gesehen und helfe häufig, um eine Oberarztstelle zu bekommen, erklärt Ramona Schürmann vom Deutschen Zentrum für Hochschule und Wissenschaft (DZHW). „Grundsätzlich ist jede akademische Position in Wirtschaft und Politik auch ohne Titel möglich und erreichbar. Der Titel dient aber als Türöffner oder Chancenverbesserer“, sagt Schürmann. Das bestätigt eine aktuelle Erhebung des DZHW: 44 Prozent aller Promovierten haben eine Leitungsfunktion inne, die Promovierten verdienen im Schnitt fast 5.000 Euro brutto mehr als Uniabsolventen ohne Promotion. Ein Berufsanfänger mit Doktortitel kommt in der chemischen Industrie laut Berufsverband auf ein Einstiegsgehalt von 67.000 Euro und hat damit 10.000 Euro mehr auf der Jahresabrechnung als ein nichtpromovierter Anfänger.

In den Naturwissenschaften und in der Mathematik ist eine Promotion denn auch nicht unüblich – ein Drittel aller eingeschriebenen Studierenden schreibt an einer Doktorarbeit. Unter den Sprach- und Kulturwissenschaftlern promovierte im Jahre 2011 dem Statistischen Bundesamt zufolge jeder vierte, bei den Juristen jeder fünfte Immatrikulierte.

■ Sachbuch: Dan Ariely: „Die halbe Wahrheit ist die beste Lüge. Wie wir andere täuschen – und uns selbst am meisten“. Droemer 2012

■ Roman: Frank Abagnale: „Catch me if you can“. Heyne 2003; William Gaddis: „Die Fälschung der Welt“. DVA 2013

Im Vergleich zur Zahl der Uniabschlüsse, die sich mehr als verdoppelten, stieg die Zahl der

in den vergangenen Jahren jedoch moderater, nämlich nur um 40 Prozent: von 20.000 im Jahr 1992 auf knapp 28.000 im vergangenen Jahr.

Doch nicht in jedem Fall generiert ein akademischer Abschluss ein höheres Einkommen. Männliche Versicherungsvertreter verdienen laut der Studie des DIW besser als Lehramtsabsolventen. Am wenigsten lohnt sich ein Studium für Männer mit einem Abschluss in Sozialarbeit oder Geschichte, während Frauen mit einem Fachhochschulabschluss als Architektin, Bauingenieurin oder Maschinenbauerin mit ihrem Verdienst unter das Niveau einer beruflich ausgebildeten Chemielaborantin rutschen. Dann hilft der akademische Titel womöglich immer noch bei der Wohnungssuche.