Erneuter Zwist mit Tschechien

SUDETENTAG Nie war die Chance für friedlichere Töne zwischen Tschechen und Sudetendeutschen besser. Doch sie lieferten sich erneut ein Fernduell

AUGSBURG dapd | Es kam ganz anders als geplant: Eigentlich wollten die Sudetendeutschen auf ihrem ersten Pfingsttreffen nach der historischen ersten Reise eines bayerischen Ministerpräsidenten nach Prag eine neue Epoche in den Beziehungen zu Tschechien feiern. Stattdessen prägte ein verbales Fernduell mit dem tschechischen Präsidenten Václav Klaus den 62. Sudetendeutschen Tag in Augsburg.

Entfacht wurde der Streit durch einen Satz des Vorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Pany. Er verwies auf die Versöhnungsgeste der britischen Königin Elizabeth II. in Irland und rief Präsident Klaus zu einem ähnlichen Signal auf. Tschechische Journalisten meldeten daraufhin, die Sudetendeutschen verlangten von Klaus eine Entschuldigung für vergangenes Leid.

Schnell wurde in Tschechien eine Verbindung mit einem anderen symbolträchtigen Tag hergestellt: Der Auftakt des Vertriebenentreffens fiel zufällig auf denselben Tag wie die Gedenkfeier für die 340 Opfer des NS-Massakers in Lidice bei Prag.

Fast zeitgleich mit Panys Auftritt in Augsburg gedachten in Lidice etwa 2.000 Menschen der NS-Opfer. Dabei warnte die Vorsitzende des Bundes der Freiheitskämpfer, Andela Dvoráková, die tschechische Regierung vor Zugeständnissen.

Dass Pany ihn ausgerechnet am Tag der Gedenkfeier in Lidice zu Worten des Bedauerns aufforderte, brachte Präsident Klaus auf den Plan: In den Tagen des Gedenkens der grauenhaften Tragödie von Lidice eine Entschuldigung zu verlangen, sei Ausdruck von „außerordentlicher Gefühllosigkeit und Unbelehrbarkeit“, polterte er.

Besuch in Lidice geplant

So wurde nun in Augsburg vor allem über die harschen Worte des Staatsoberhaupts diskutiert. Und das, obwohl selten einen Sudetendeutschen Tag so moderate Töne prägten wie diesen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nahm das Reizwort Beneš-Dekrete nicht einmal in den Mund. Und Pany hat seinen Dauerkontrahenten Klaus in der Vergangenheit schon deutlich härter attackiert.

Tschechische Medien aber griffen den Streit groß auf. Die Zeitung Lidové noviny ließ auf ihrer Internetseite die Leser über die Frage abstimmen, ob sich Tschechien bei den Sudetendeutschen entschuldigen sollte. Die überwältigende Mehrheit stimmte mit „Nein“.

Seehofer ist sich der Empfindlichkeiten bewusst. Seine Reise nach Prag sei das Schwierigste in seiner Karriere gewesen, sagte er: jeder Satz, jeder Schritt „gefahrengeneigt“. Und doch habe der Besuch eine „neue Epoche“ eingeleitet.

Noch in diesem Jahr will Seehofer ein zweites Mal nach Tschechien reisen und weiter für Verständigung werben. Es zeichnet sich ab, dass er dabei zusammen mit Vertretern der Sudetendeutschen auch die Gedenkstätte in Lidice besuchen wird.