Angesägte Stühle in Altona

Die Kooperationspartner CDU und GAL suchen mit Hochdruck einen Nachfolger für Altonas Bezirkschef Hinnerk Fock. Er habe seinen Laden nicht im Griff. Ein Stadtteilkoordinator geht schon mal

Es ist eine vertrackte Situation: Bezirksamtsleiter Hinnerk Fock (FDP) wurde einst von CDU/FDP und Schillpartei gewählt. Heute stellen in der Bezirksversammlung CDU und Grüne die Regierungsmehrheit. Sie wollten den ungeliebten Amtsleiter schon mehrfach ablösen, ebenso wie die SPD-Fraktion. Die drei Fraktionen können sich jedoch nicht auf einen Nachfolger einigen. Die SPD würde sich auf einen neuen Kandidaten nur dann einlassen, wenn Schwarz-Grün seine Kooperation aufkündigen würde. Für die Kooperationspartner kommt das aber nicht in Frage. Schwarz-Grün in Altona gilt als Modell für die Zusammenarbeit von CDU und Grünen in einer Großstadt und damit für eine Koalition in der Bürgerschaft, falls die CDU bei der Wahl im kommenden Februar die absolute Mehrheit verliert.  taz

VON GERNOT KNÖDLER

Die Krise im Altonaer Rathaus hat ein erstes Opfer gefordert. Wie Bezirksamtsleiter Hinnerk Fock (FDP) bestätigte, hat der in einen Beschaffungsskandal verwickelte Stadtteilkoordinator Christoph Wolpers einen Auflösungsvertrag unterschrieben. Unterdessen suchen die „Kooperationspartner“ in der Bezirksversammlung, CDU und GAL, weiter nach einem Nachfolger für Fock, dem sie Führungsschwäche vorwerfen. In der ersten Juni-Hälfte wollen sie den Amtsinhaber mit einem konstruktiven Misstrauensvotum ablösen.

Fock steht bereits seit dem vergangenen Jahr unter Beschuss. Im Herbst scheiterte ein Versuch, den FDP-Mann aus dem Amt zu drängen knapp. CDU und GAL waren unzufrieden mit Focks Amtsführung. Beschlüsse der schwarz-grünen Bezirkskoalition würden endlos verschleppt oder einfach nicht umgesetzt, kritisierte der CDU-Bezirksabgeordnete Sven Hielscher. Der Bezirksamtsleiter könne sich gegenüber den Dezernenten seiner Behörde nicht durchsetzen.

Er sei nicht willfährig in Personalentscheidungen gewesen, sagt Fock. Er habe „in Sachen, wo ich nicht muss und teilweise auch nicht kann“, nicht so gehandelt, wie von der Bezirksversammlungsmehrheit gewünscht. Dass er abgewählt werden solle, habe nichts mit den Skandalen zu tun, die im vergangenen Jahr ans Licht gekommen seien.

Davon gibt es eine stattliche Reihe. Sie beginnt mit der Vergabe des Campingplatzes Falkensteiner Ufer, bei der sich 2005 der Verein Kinderschutz und Jugendwohlfahrt durchsetzte. Dessen damaliger Vorsitzender Christoph Wolpers installierte nach der Auswahl seinen Sohn als Geschäftsführer des Campingplatzes. In der öffentlichen Wirkung sei das zwar „nicht gut“, rechtlich aber nicht angreifbar gewesen, sagt Fock.

Auch der Mann von Wolpers Nichte profitierte von einem öffentlichen Auftrag. Er erhielt ohne vorherige Ausschreibung eine Stelle im Rahmen des Senatsprogramms zur Stadtteilförderung, Wolpers Arbeitsbereich. Die Begründung für die freihändige Vergabe wurde nachträglich hinzugefügt. Die zuständigen Dezernenten Hartmut Hoins und Kersten Albers gaben das zu und zeigten sich an. Das Disziplinarverfahren läuft.

Wolpers selbst gründete ein Unternehmen, das billig Computer beschaffte und günstig an das Bezirksamt weiterverkaufte. Fock zufolge hatte Wolpers zunächst im Auftrag des Bezirksamtes mit Restmitteln am zentralen Einkauf vorbei günstig EDV-Geräte besorgt. Das habe vor seiner Amtszeit begonnen, sagt Fock. Später habe Wolpers gleich einen eigenen Handel aufgezogen.

Als Sahnehäubchen der Skandalkette bezichtigte eine anonyme E-Mail-Schreiberin eine Amtsleiterin, ihren Liebhaber mit Aufträgen versorgt zu haben. „Das ist ein Haufen, da kommt immer was drauf – mehr oder minder relevant“, sagt Fock und spricht von Trittbrettfahrern.

„Einiges liegt schon seit längerem im Argen“, sagt CDU-Fraktionschef Uwe Szczesny. Das tritt jetzt durch die Führungsschwäche offen zu Tage. „So eine Situation führt dazu, dass Fehden unter den Mitarbeitern ausgetragen werden“, sagt der GAL-Fraktionsvize Winfried Sdun. Schwarz-Grün sei sich der Verantwortung bewusst, eine gute Führung des Bezirksamtes zu gewährleisten. Bei der Suche nach einer Lösung komme es aber auf eine oder vier Wochen nicht an.

Schwarz-Grün tut sich mit der Kandidatenkür schwer. „Wir suchen die Eierlegende Wollmilchsau“, sagt Szczesny. Der Kandidat müsse verwaltungs- und medienerfahren, durchsetzungsfähig und kompatibel mit Schwarz-Grün sein. Zudem sollte er eine mit der Wahl im Februar mögliche Änderung der Mehrheitsverhältnisse überstehen können.

Die monatliche Bezirksversammlung, die am kommenden Donnerstag hätte stattfinden sollen, wird ausfallen, weil es zu wenige Tagesordnungspunkte gab. Um einen neuen Amtsleiter zu wählen, könne aber mit einwöchigem Vorlauf eine Sondersitzung einberufen werden.

„Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht mein Ja zu der Absage gegeben“, sagt der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Stefan Krappa. Offenbar komme es gar nicht mehr darauf an, ob Fock Führungsqualitäten zeige. Dabei habe Fock mit dem Rausschmiss Wolpers und der Versetzung von Hoins gehandelt.