Der ungeschorene Meister-Trainer

Der Fußballtrainer Armin Veh ist ein Mensch mit Prinzipien. Stellt jemand eine Frage, die ihm zu blöd ist, antwortet der 46-Jährige schon mal patzig. Oder gar nicht. Am Samstag hat Veh eine Ausnahme gemacht. Ob er sich nun, da der VfB Stuttgart den Meistertitel geholt habe, die Haare rasieren werde. „Nein“, sagte Veh, „weil das ein Blödsinn ist.“ Ob er zur Feier dieses Samstags so viel trinken werde, wie vorher über ihm ausgeschüttet wurde. „Auf keinen Fall“, sagte Veh, „sonst bräuchte ich bis Dienstag frei.“

Vermutlich hätte Veh sich Samstagabend lieber zurückgezogen. So wie er es zwischen Schlusspfiff und Meisterschalenübergabe im Gottlieb-Daimler-Stadion für elf Minuten tat – „Das mache ich immer so – und es tut mir gut“. Doch dann musste er Bier über sich ausgießen lassen, Interviews geben, drei Stunden in einem Autokorso durch Stuttgart kutschieren und sich am Ende noch im ZDF-Sportstudio stellen.

Bei alledem durfte er nie die Genugtuung zeigen, die ihm der Gewinn dieses Titels bereitet haben dürfte. Denn diese Meisterschaft hätte seinem Team niemand zugetraut. Und ihm schon gar nicht. Als der neu inthronisierte VfB-Manager Horst Heldt Veh im Februar 2006 als Nachfolger von Giovanni Trapattoni präsentierte, da galt der gebürtige Augsburger als so gut wie gescheitert. Bei Hansa Rostock hatte er sich zweieinhalb Jahre vorher die Freiheit erlaubt, sich aus familiären Gründen von der Trainerbank zurückzuziehen. „Seitdem habe ich in einer Schublade gesteckt, aus der ganz schwer herauszukommen ist“, so Veh. Dass ihn der Stuttgarter Aufsichtsratsvorsitzende, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, zudem als „Übergangslösung“ bezeichnete, stärkte Vehs Position in der Nach-Trapattoni-Ära nicht eben.

Dabei würde Veh viel besser in andere Schubladen passen. In die Schublade derjenigen Trainer nämlich, die das bedingungslose Kurzpassspiel predigen, weil sie davon überzeugt sind, dass Fußball ein schönes Spiel ist. Veh ist auch ein Coach, der jungen Spielern Vertrauen schenkt. Die aktuelle VfB-Elf zählt im Durchschnitt 25,2 Jahre und ist die jüngste der Liga. Und schließlich passt Veh in die Schublade der Trainer, die sich von niemandem vorschreiben lassen, wie sie zu sein oder was sie zu sagen haben. Als DFB-Präsident Theo Zwanziger vor eineinhalb Wochen Schalke den Titel wünschte, da packte den VfB-Trainer der heilige Zorn. Zwanziger entschuldigte sich, Stuttgart ist jetzt Meister – und Armin Veh hat gezeigt, dass das Wort „Übergangslösung“ auch anders zu interpretieren ist: Er hat mit dem VfB den Übergang geschafft vom bedeutungslosen Uefa-Cup-Aspiranten zum deutschen Meister.

JÜRGEN ROOS