Feindbild Gazprom

Riesenschreck für die Landesregierung: Die RAG soll mit Gazprom über einen Einstieg verhandelt haben. Offiziell dementieren beide Unternehmen Kontakte – verbitten sich aber eine Einmischung

VON KLAUS JANSEN
UND HOLGER PAULER

Gazprom fühlt sich von der nordrhein-westfälischen Landesregierung diskriminiert. „Uns begegnen immer wieder antirussische Vorbehalte“, sagte der Sprecher der deutschen Niederlassung des Energiekonzerns, Andreas Böldt. Zugleich dementierte er jedoch, dass das halb-staatliche Unternehmen ein Konzept für einen Einstieg beim Ruhrgebietskonzern RAG erarbeitet habe. „Es gab keine Gespräche, es gibt keinen Plan“, sagte er der taz.

Vertreter der schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf hatten Gazprom und die RAG zuvor scharf angegriffen, weil die beiden Unternehmen angeblich hinter dem Rücken der Politik über eine Liaison verhandeln. FDP-Fraktionschef Gerhard Papke sagte, er wolle wichtige RAG-Tochterunternehmen wie die Degussa oder die Steag „nicht in der Hand eines russischen Staatskonzerns wissen“. Nach Angaben von NRW-Regierungssprecher Andreas Krautscheid liegt der Landesregierung ein Schriftwechsel vor, aus dem hervorgeht, dass die RAG bereits vor Wochen über Vermittler Kontakt zur russischen Regierung und zu Gazprom aufgenommen hat.

„Wenn es um wichtige Richtungsentscheidungen geht, werden wir ungern überrascht“, sagte Krautscheid mit Blick auf den geplanten Börsengang der RAG und die Verhandlungen über die Steinkohlestiftung, die für die Altlasten des Bergbaus im Ruhrgebiet aufkommen soll. Die Gespräche über die Zukunft der RAG würden so lange ausgesetzt, bis die Verbindung nach Russland geklärt sei. Zudem sei ein Einstieg Gazproms auch eine „politische Frage“, sagte er.

Die RAG will Kontakte nach Moskau und Sankt Petersburg zwar nicht bestätigen, allerdings wehrt sich das Unternehmen auch gegen die Einmischung der Politik: Kein Investor, der sich an die Spielregeln des Kapitalmarkts halte, werde diskriminiert, sagte eine Sprecherin: „Jeder kann Aktien kaufen, wenn wir an der Börse sind.“

Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Reiner Priggen, sieht mögliche Gazprom-Kontakte gelassen. „Unsere Wirtschaft lebt davon, dass ausländische Investoren nach NRW kommen.“ Das Interesse Gazproms sei ein guter Indikator dafür, dass es aufwärts gehe. Auch Roland Götz, Russlandexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, warnt vor einer antirussischen Stimmung in Europa. „Die Maßstäbe, die an russische Konzerne angelegt werden, sind falsch“, sagt er. Über Jahrzehnte seien wirtschaftlich Kontakte nach China oder in den Iran geknüpft worden. Russland sei als Partner wesentlich angenehmer. Man müsse dennoch jeden Fall einzeln prüfen – „auch Gazprom“, so Götz weiter.

Mit anderen russischen Unternehmen tut sich NRW offenbar schon jetzt leichter: Als der Milliardär Oleg Deripaska gestern bekannt gab, seine Beteiligung am Essener Bauriesen Hochtief auf 9,99 Prozent auszubauen, blieb die Landespolitik stumm.