Der Großflughafen rollt auf die Startbahn

Langsam kommt Bewegung in die Baustelle des Airports BBI in Schönefeld: Riesige Kipper bewegen tausende Tonnen Abraum, während im Containerdorf die Köpfe rauchen. Über den aktuellen Stand der Arbeiten informiert inzwischen eine blaue Ameise

Heute wird auf dem Flughafen Tegel das neue Ostterminal offiziell eröffnet. Teilnehmen an der Feier werden unter anderen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und die Fußballmannschaft von Hertha BSC. Im Vorfeld hatte eine Bürgerinitiative den Verzicht auf die Eröffnungsfeier gefordert. Sinnvoll sei vielmehr „eine Trauerfeier auf dem gefährlichen innerstädtischen Airport“, kritisierte Johannes Hauenstein von der Bürgerinitiative gegen das Luftkreuz auf Stadtflughäfen. Die Abfertigungshalle mit einer geplanten Nutzungszeit von nur fünf Jahren sei die „Manifestation einer chaotischen Flughafenpolitik“ des Senats. Tegel soll nach der Eröffnung des Großflughafens BBI geschlossen werden.

Insgesamt sind im vergangenen Jahr 18,5 Millionen Menschen in Tegel, Schönefeld und Tempelhof abgeflogen und gelandet. „Die Passagierzahlen werden in diesem Jahr erstmals die 19-Millionen-Marke übersteigen“, so Flughafenchef Rainer Schwarz. Allein im April starteten und landeten insgesamt mehr als 1,5 Millionen Fluggäste. Während in Schönefeld und Tegel der Verkehr im April um 5 beziehungsweise 7 Prozent gewachsen ist, hat sich die Zahl der Fluggäste in Tempelhof im Vergleich zum Vorjahresmonat fast halbiert. DPA, DDP

VON SVEN KULKA

Noch ist hier eine riesige Brache. Nichts auf dem Gelände des Großflughafens BBI weist darauf hin, dass hier in wenigen Jahren die Großjets im Minutentakt landen und abheben werden. Kein Terminal ist zu sehen, keine neue Landebahn. Wo vor zwei Jahren noch das Dorf Diepensee stand, blühen Schafsgarbe und Löwenzahn. In den kommenden Wochen wird sich das ändern: Die ersten Muldenkipper sind schon angerückt. Im Oktober 2011 soll der Flughafen fertig sein.

Der Airport Berlin Brandenburg International (BBI) ist die größte Baustelle im Osten Deutschlands und zugleich Sperrbezirk. Nur die Arbeiter und einige Zulieferfirmen dürfen auf das umzäunte Hochsicherheitsareal. Dem Sicherheitspersonal an den beiden Zugängen müssen sie einen Ausweis zeigen. „Ein Computersystem überwacht alle Baufahrzeuge“, sagt Ralf Kunkel, der Sprecher der Berliner Flughäfen.

Die Kipper fahren geschäftig umher. Auf dem riesigen Gelände, groß wie 2.000 Fußballfelder, wirken sie wie Spielzeugautos. Jeden Tag bewegen sie tausende Tonnen Boden. Bagger heben gerade Gruben für die Fundamente des BBI-Bahnhofs aus. Die Kipper transportieren den Aushub in sogenannte Bodenzwischenlager – „damit später lokale Senken und Höhenunterschiede ausgeglichen werden können“, erklärt Kunkel.

Das wichtigste Projekt auf der Baustelle ist der Bau des neuen Terminals. Bis Mitte 2008 will die Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH den Rohbau des Bahnhofs, der gleichzeitig das Fundament für das Terminalgebäude sein wird, fertiggestellt haben. Die Terminalhalle wird das Vorzeigeobjekt des Airports: 210 Meter lang und 180 Meter breit. Darin vier Check-in-Inseln mit insgesamt 80 Schaltern, 32 Sicherheitskontrollen, die Gepäckausgabehalle sowie eine Gepäcksortierhalle. Die internationale Ausschreibung für die Bauleistungen läuft bereits. Ende 2007 soll feststehen, wer den Auftrag bekommt.

Der Bau des BBI war lange umstritten, vor allem unter Umweltschützern. Nicht ohne Grund: Die Natur verschwindet auf dem Gelände – bis auf die Pfützen und den Löwenzahn – fast komplett. Immerhin muss der Bauherr penibel auf die Einhaltung der Umweltschutzauflagen achten. „Für jeden Baum, den wir fällen mussten, müssen wir bis zu fünf neue pflanzen, und für jede Fläche, die wir versiegeln, bezahlen wir eine sogenannte Entsiegelungsabgabe“, erklärt Ralf Kunkel. Durch große Leitungsrohre wird das Grundwasser aus Baugruben und Bohrschächten in einen zwei Kilometer langen Sickergraben gepumpt. So soll der Grundwasserspiegel konstant gehalten werden.

22 Millionen Fluggäste will der BBI einmal jährlich abfertigen. Bis es so weit ist, muss allerdings noch einiges passieren. Die Autobahnanbindung muss fertiggestellt, die Start-und-Lande-Bahnen müssen angelegt werden. Die bestehende südliche Start-und-Lande-Bahn des alten Flughafens Schönefeld wird bis zum Ende dieses Jahres zur Nordbahn und erhält je vier neue Abroll- und Zurollbahnen. Anschließend verschwindet die derzeitige Nordbahn, und der Lückenschluss zwischen der A 11 und der neuen A 113 kann erfolgen.

Alles ist genau durchdacht, jedes Projekt hat seinen exakten Termin. Jede Muldenkipperfahrt ist geplant, jede geplante Straße, jeder Hügel, der verschwinden muss, ist aufgeschrieben. Ein Teil dieser Arbeit geschieht im Containerdorf. „Das Herz und Hirn der Baustelle“, sagt Ralf Kunkel. Hier organisieren Fachleute die Baustelle: Sie klären, wo die Entwässerungspumpen stehen, oder wo man die Lkw-Sammelstellen einrichtet.

2.058 Räume wird der Flughafen haben und 33.000 Quadratmeter Glasfassaden. Dafür wird die Baustelle unter anderem 9.000 Tonnen Baustahl und 160.000 Kubikmeter Beton verschlingen. Der wird frisch vor Ort erzeugt: Schon von weitem kann man die riesigen Berge von Kies, Sand und Zement erkennen. Recht zentral auf dem Gelände gelegen, lagern die Rohstoffe am eigens für die Großbaustelle eingerichteten Schienennetz. Für den Betreiber ist das sehr praktisch, aber auch für die Bahn, die Sande und Kiese direkt am 80 Millionen Euro teuren Betonwerk auf der Baustelle anliefern kann. „Das Betonwerk gewährleistet, dass wir uns selbst versorgen können“, sagt Flughafensprecher Kunkel. Für das „Bauwerk 262“ beispielsweise, ein 90 Meter langes Tunnelstück, durch das später Züge auf dem Weg zum Terminalbahnhof in den Untergrund geleitet werden, hat es bereits den Beton gemischt.

In den nächsten Jahren wird auf der größten Baustelle Ostdeutschlands viel passieren. Wer sich das Treiben mit eigenen Augen ansehen möchte, kann dies ab Herbst von einem Aussichtsturm aus tun. Er ist 32 Meter hoch und bietet auf einer Plattform Platz für 80 Baustellenbesucher. Vielleicht treffen sie dort oben Armin. Man sieht Armin auf vielen Plakaten und auf Infoblättern. Armin, die blaue Ameise. Sie ist männlich, läuft auf zwei Beinen, hat vier Arme, trägt Blaumann und Gummistiefel und spricht mit leichtem Berliner Akzent. Sie ist das Maskottchen des BBI und wird den Daumen halten, dass am 30. Oktober 2011 der Airport seinen Betrieb aufnehmen kann und aus der Großbaustelle ein funktionierender Großflughafen wird.