Horst Köhler übt leise Kritik in Hanoi

Bundespräsident sieht die Menschenrechtslage in Vietnam mit „gewisser Sorge“. Lob für wirtschaftliche Entwicklung

BERLIN taz ■ Bundespräsident Horst Köhler hat bei seinem Staatsbesuch in Vietnam die wirtschaftliche Entwicklung des Landes gewürdigt, gleichzeitig aber eine Verbesserung der Menschenrechtslage angemahnt. Hanoi ist die erste Station einer insgesamt einwöchigen Asien-Reise des Bundespräsidenten, die ihn auch nach China führen wird.

Mit einer „gewissen Sorge“ seien in Deutschland jüngste Verurteilungen beobachtet worden, sagte Köhler gestern in Hanoi nach einem Gespräch mit dem vietnamesischen Präsidenten Nguyen Minh Triet. Allein in den letzten 14 Tagen waren sechs Dissidenten für friedliche politische Tätigkeit zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. „Wir werden das Gespräch im Rechtsstaatsdialog fortsetzen“, kündigte Köhler an. Das Interesse Hanois daran scheint begrenzt: „Die Menschen haben gegen Gesetze verstoßen. Wir setzen die Priorität auf politische Stabilität“, so die Sichtweise von Präsident Triet auf die jüngste Repressionswelle im Land.

Allzu deutliche Kritik von deutscher Seite wird durch wirtschaftliche Interessen gedämpft: In Köhlers Gefolge reisen zahlreiche Unternehmer, die im sozialistischen Investorenparadies Niederlassungen errichten oder Handelskontakte dorthin aufbauen möchten. Mit einem Wirtschaftswachstum von acht Prozent gehört Vietnam zu den boomenden Märkten weltweit. Billige Arbeitskräfte produzieren Textilien, Schuhe und Spielzeug für den Weltmarkt. Gute Marktchanchen versprechen sich auch Umwelttechnikfirmen, weil diese Branche in Vietnam in den Kinderschuhen steckt. Deutschland ist innerhalb der EU der wichtigste Handelspartner Vietnams. Das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten liegt bei 2 Milliarden US-Dollar.

Des Weiteren stand bei Köhlers Gesprächen mit der vietnamesischen Staats- und Regierungsführung das Thema Bildung auf der Agenda: Dazu wurden zwei Abkommen zur Förderung der deutschen Sprache sowie über die Gründung einer deutschen Universität unterzeichnet. Flankiert wurde Köhlers Besuch von zahlreichen kulturellen Angeboten. Das Hanoier Goethe-Institut, das dafür bekannt ist, auch Künstlern eine Plattform zu bieten, die es unter der Zensur in Vietnam schwer haben, organisierte nicht nur eine Diskussion zum vernachlässigten Thema Ökologie. Auch der Film „Das Leben der anderen“ über die Stasi-Machenschaften im ehemaligen sozialistischen Bruderstaat DDR erfreut sich dort derzeit großer Beliebtheit.

MARINA MAI