„Europa muss sich engagieren“

Gustavo Petro fordert, dass Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien endlich international Thema werden

GUSTAVO PETRO, 47, ist Senator der linken Oppositionspartei Demokratischer Alternativer Pol. Wegen seines Bemühens, die Verbindungen zwischen Regierung und Paramilitärs aufzuklären, erhielt er mehrfach Morddrohungen.

taz: Herr Petro, Sie kritisieren, das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und Kolumbien würde nur den Drogenbossen in die Hände spielen. Warum ?

Gustavo Petro: Das Abkommen würde die Strukturen der kolumbianischen Landwirtschaft stark angreifen. Die kleinen und mittleren Mais- und Reisbetriebe können nicht mit den Importen aus den USA konkurrieren. Also wird der Großgrundbesitz weiter zunehmen, mit Pinien- oder Palmölplantagen. Viele Drogenhändler legen ihr Geld in diesen Ländereien an, nur sie haben das Kapital zu solchen Investitionen. In den letzten Jahren haben sie sich mit Hilfe der Paramilitärs bereits den größten Teil des fruchtbaren Landes angeeignet.

Uribe hofft auch auf weitere Militärhilfe in Rahmen des Plan Colombia …

Trotz sechs Milliarden US-Dollar und jahrelanger intensiver Besprühungen der Kokaplantagen ist der Preis für Kokain heute niedriger als Ende 1999, als der Plan Colombia startete – also das Angebot größer. Als Instrument der Antidrogenpolitik hat der Plan demnach versagt. Besonders schlimm sind die Folgen in Kolumbiens südlicher Provinz Putumayo …

Warum?

Gerade dort, wo die USA einen Großteil ihrer Berater konzentriert haben, hat man bereits 215 Leichen aus Massengräbern geborgen, und es könnten noch viel mehr werden. Dafür also hat man die Steuergelder der US-Bürger verwendet …

Was folgt daraus?

Ich habe mit demokratischen Kongressabgeordneten gesprochen und sie gebeten, aus dem Plan Colombia einen „Plan für die Wahrheit“ zu machen, um die Verbindungen zwischen dem Drogenhandel und dem Staat aufzubrechen. Dafür muss man die Justiz unterstützen und die Bewegung der Opfer. Statt Bataillone von Soldaten bräuchten wir Bataillone von Rechtsanwälten, die die Opfer verteidigen.

Welche Rolle könnte Europa dabei spielen?

In Europa ist es kaum bekannt, dass in Kolumbien Verbrechen gegen die Menschlichkeit geschehen, die in Lateinamerika unvergleichlich sind. Die Europäische Union verlässt sich in ihrer Lateinamerikapolitik auf Spanien. Das kümmert sich mit wenigen Ausnahmen um die Geschäftsinteressen spanischer Firmen – und die wollen immer gute Beziehungen zur kolumbianischen Regierung. Uribe etwa war früher Aufsichtsrat der Banco de Santander. Der spanische Regierungschef Zapatero thematisiert die Menschenrechte ebenso wenig wie sein Vorgänger Aznar.

Was wünschen Sie sich von der EU?

Bisher greift die kolumbianische Justiz kaum, wir warten auf die Geständnisse der Paramilitärs. Deswegen brauchen wir eine Beobachtungsmission des Internationalen Gerichtshofs. Die Botschaft der Welt an die Paramilitärs muss lauten: Wenn ihr nicht die ganze Wahrheit sagt, kommt ihr vor den Internationalen Gerichtshof. Dabei müsste die EU eine zentrale Rolle spielen.

INTERVIEW: CONSTANZA VIEIRA