NRW sucht lukrative Partner

Die Landesregierung ist auf internationaler Werbetour, um heimischen Unternehmen neue Märkte zu öffnen. Einen Widerspruch zwischen Außenhandel und Entwicklungshilfe sieht sie nicht

VON MORITZ SCHRÖDER

Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) ist derzeit viel unterwegs. Mitte März flog sie nach Indien. Bereits im Oktober 2005 war sie in China, ein Jahr später in Ungarn und der Türkei. Mit dabei sind regelmäßig Dutzende WirtschaftsvertreterInnen aus NRW. Denn die Landesregierung macht fleißig Werbung für die heimische Wirtschaft und baut ihre internationalen Kontakte aus. Thobens Kollege Armin Laschet (CDU) im Integrationsministerium könnte bald im westafrikanischen Ghana vorstellig werden. Dort baut er derzeit die erste Partnerschaft mit einem afrikanischen Staat auf.

Auch dabei geht es um bessere Handelsbeziehungen: „Ghana spielt wirtschaftlich in Westafrika eine wichtige Rolle“, begründet ein Sprecher Laschets das Engagement. Soll heißen: Der Staat gehört zu den aufstrebenden Volkswirtschaften des Kontinents und ist zudem politisch stabil.

Wie das NRW-Projekt konkret aussehen wird, ist noch nicht geklärt. Laschet kann sich aber vorstellen, die Ghanaer, die in NRW leben, in der Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen. Sie gehören mit fast 5.000 EinwohnerInnen zu einer der größeren Migrationsgruppen aus Afrika. Zwar leben auch rund 12.000 MarrokanerInnen und über 6.000 KongolesInnen in NRW, im Vergleich arbeiten die Menschen aus Ghana aber besonders häufig in akademischen Berufen. Damit haben sie das nötige Wissen, um in Hilfsprojekten in ihrem Heimatland zu arbeiten. „So wollen wir mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen“, heißt es im Integrationsministerium: Also Entwicklungszusammenarbeit betreiben und damit gleichzeitig Türen für NRW-Unternehmen öffnen. In der ghanaisch-deutschen Wirtschaftsvereinigung sitzen schon heute Unternehmen wie Bayer Leverkusen oder die Bergbauberatung Helge Ziehe aus Moers.

Andrea Asch, entwicklungspolitische Sprecherin der NRW-Grünen, hält die Initiative von Laschet jedoch für „Alibi-Aktionismus“. Die Kooperation könne nicht über die fehlenden Landesgelder für Entwicklungsarbeit hinwegtäuschen. Seitdem die schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf regiert, habe sie den Fördertopf für Entwicklungs-Bildungsarbeit um ein Drittel gekürzt. Gab es im Jahr 2005 noch über 1,1 Millionen Euro für das „Eine-Welt-KoordinatorInnen-Programm“, sind es heute nur noch 800.000 Euro.

In Afrika arbeitet NRW bisher seit 1995 mit der südafrikanischen Provinz Mpumalanga zusammen. Über 40 Entwicklungsinitiativen wurden seitdem im „Mpumalanga-Forum“ gebündelt, finanziert vom heutigen Integrationsministerium. Dort werden gemeinsame Projekte geplant, etwa gegen die Ausbreitung von HIV.

Dass Entwicklungspolitik auch Aufträge in die Kassen der heimischen Unternehmen spülen kann, zeigt das Beispiel Indien, wo Ministerin Thoben im März „Kontakte mit kleinen und mittleren Unternehmen angebahnt hat“, so ihr Sprecher Joachim Neuser. Weil das Stromnetz in dem Schwellenland lückenhaft ist, interessieren sich die PolitikerInnen dort für Windkraft- und Solaranlagen aus NRW, damit sich die Menschen auf dem Land in Zukunft selbst mit Strom versorgen können. Ein Unternehmen aus Bielefeld baut schon heute ein Biomasse-Kraftwerk in der Nähe von Mumbai, das Biosprit aus Zuckerrohr gewinnen soll.

„Afrika und Indien geraten stärker in den Fokus unserer Wirtschaft“, sagt Friedrich Wilhelm Wagner, im Wirtschaftsministerium Referatsleiter für Außenhandel mit Afrika, Naher und Mittlerer Osten. Seit Anfang des Jahres unterstützt die neue „NRW International GmbH“ den Außenhandel der NRW-Unternehmen zusammen mit den Industrie- und Handelskammern, um ihre Chancen auf Auslandsmärkten zu verbessern. So soll auch der Handel mit Entwicklungs- und Schwellenländern zunehmen, der zurzeit noch kaum in Zahlen messbar ist. Mit Blick auf das Vorhaben in Ghana sagt Wagner: „Es wird zum Punkt kommen, wo Anregungen für die Wirtschaft entstehen.“