Der Wurf auf die Matte der Tatsachen

Vergeblich hofften die Luckenwalder auf den Gewinn der deutschen Ringer-Meisterschaft. Gegen ASV Köllersbach verloren sie nach blamabler Niederlage im Hinkampf auch den Rückkampf mit 18:21. Der Aufsichtsratschef will mehr Leistung sehen

VON NICOLAS SOWA

Wunder sind in der Regel eine rare Erscheinung, auf die man vergeblich hofft. Doch die Anhänger der Ringer vom Luckenwalder SC glaubten trotzdem daran. Nach der blamablen 13:23-Niederlage im Hinkampf um die deutsche Meisterschaft warteten 1.500 Zuschauer in der Fläminghalle in Luckenwalde erwartungsfroh, dass ihre Ringer die Gegner reihenweise auf die Matte werfen würden. Doch es waren die Gäste vom ASV Köllerbach, die den Abend dominierten und schließlich auch den Rückkampf mit 21:18 für sich entschieden. Während die Saarländer nach 35 Jahren erstmals wieder deutscher Meister wurden, blieb dem entthronten Titelverteidiger aus Brandenburg nur der zweite Platz.

Die Enttäuschung in Luckenwalde ist groß, denn das Saisonziel war ganz klar: der Meistertitel. In den nächsten Tagen wird sich deshalb der Aufsichtsrat zusammensetzen, um über die weitere Zukunft zu beraten. „Wir können nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen“, sagte ein sichtlich bedienter Aufsichtsratsvorsitzender Reinhardt Töpel. Vor sechs Jahren hat Töpel den Verein übernommen und führt ihn seitdem wie ein Wirtschaftsunternehmen. Damals stand der LSC am Abgrund und hatte 1,3 Millionen Mark Schulden. Heute ist der Verein schuldenfrei und stemmt mit 400.000 Euro einen ordentlichen Etat aus dem Boden.

Ringen hat in Luckenwalde Tradition. Die ehemalige Industriestadt, rund sechzig Kilometer südlich von Berlin, war schon zu DDR-Zeiten eine Ringerhochburg. Damals hieß der Verein noch SG Dynamo und konnte 21 Meisterschaften erringen. Doch mit der Wende war es damit vorbei. Die Meisterschaft machten die finanzkräftigen Westklubs vom KSV Aalen und dem VfK Schifferstadt unter sich aus. Beide sind mittlerweile insolvent. Das soll dem Luckenwalder SC aber nicht passieren. „Wir achten auf unseren Haushalt“, so Töpel. Der große Mäzen und Macher im Verein ist mit seiner schwierigen Art nicht ganz unumstritten. „Wenn ich es mit meiner Art aber nicht so gemacht hätte“, sagt Töpel stolz, „gäbe es keine Meisterschaft und auch kein Finale.“ Der engagierte Aufsichtsratschef war nach der Niederlage sichtlich geladen und hatte Mühe, nicht zu explodieren. „Bei uns fehlte die Moral“, polterte Töpel.

In der Ringerbundesliga ist es ja mittlerweile Usus geworden, möglichst viele Welt- und Europameister aus Osteuropa einfliegen zu lassen. Die schauen dann immer drei bis vier Tage vor dem Kampftag mal vorbei. Wer hier die besten zusammensammeln kann, hat auch die größten Chancen auf den Titel. In Luckenwalde sind dies vornehmlich Bulgaren, sechs an der Zahl. Hinzu kommen noch erfolgreiche Ringer aus Rumänien, Russland, Polen, Griechenland, Tschechien und Armenien. Deutsche Ringer spielen da eigentlich keine Rolle. „Wenn man den Titel holen will, braucht man diese Leute“, sagte Töpel. Dabei ist die Nachwuchsabteilung in Luckenwalde nicht die schlechteste im Land.

Die vielen unterschiedlichen Ausländer im Kader bringen aber auch Probleme mit sich. Da kann es auch einmal vorkommen, dass nicht alle zu den Kämpfen kommen. So waren von den sechs Bulgaren gegen Köllerbach lediglich zwei in der Halle. „Die anderen befinden sich im Trainingslager und konnten dort nicht weg“, sagte Trainer Andreas Zabel. Ein herber Verlust für den LSC. „Einige haben hier wohl Probleme mit der Identifikation“, schimpfte deshalb Töpel. Es gebe zwar auch Akteure im Kader, die von ihrer Einstellung absolute Vorbilder seien, aber anderen spricht er diese ab. „Wir haben hier hochbezahlte und hochdekorierte Athleten am Start, da erwartet man Leistung. Aber über den Leistungswillen muss hier dringend mal nachgedacht werden“, fuhr Töpel fort. Deshalb soll in den nächsten Tagen alles einer Prüfung unterzogen werden. Als Erstes wird wohl die sportliche Leitung zum Rapport bestellt werden. „Hier muss jeder Rechenschaft ablegen, was er für sein Geld getan hat“, sagte Töpel.

So bleibt die Zukunft in Luckenwalde ungewiss. Trotz der Enttäuschung will Töpel aber weitermachen, und der Etat soll auch in der kommenden Saison Bestand haben. Nur die Kaderzusammenstellung wird sich wohl gewaltig verändern. Dann wird auch über die Zielsetzung entschieden werden. Wer aber Reinhardt Töpel kennt, der weiß, dass für ihn eigentlich nur die Meisterschaft zählt.