Für Strände ohne Dreckklumpen

KÜSTE Die Einleitung von Paraffin in Nord- und Ostsee soll verboten werden, fordern die Nord-Bundesländer. Bislang spülen Tanker den Stoff unbedacht ins Meer. Vögel in Gefahr

„Es kann nicht sein, dass Reeder sich die Kosten sparen“

TILL BACKHAUS, UMWELTMINISTER MV

VON KAI SCHÖNEBERG

BERLIN taz | Erst Mitte Juni traf es Norderney: Mitten in der Badesaison sammelten 30 städtische Mitarbeiter per Harken und Radladern die weißgrauen bis gelblichen Klumpen, zwischen sechs und zehn Zentimeter groß, vom Strand der Nordseeinsel. Im März war Sylt dran: Helfer klaubten handballgroße Paraffinklumpen auf, insgesamt 73 Kubikmeter hatten die Strände verpestet.

Damit Nord- und Ostsee nicht mehr als Müllkippe benutzt werden, wollen die norddeutschen Bundesländer handeln. Für die Konferenz der Landesumweltminister am Mittwoch in Heidelberg gibt es eine gemeinsame Beschlussvorlage. „Wir wollen erreichen, dass Paraffin auf die Liste jener Materialien kommt, die nicht ins Meer eingeleitet werden dürfen“, sagt Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Till Backhaus (SPD).

Paraffin ist ein Nebenprodukt der Erdölverarbeitung. Es wird bei der Kerzenherstellung sowie im Kosmetik- und Medizinbereich sowie bei der Imprägnierung von Papier, Textilien und Holz verwandt und flüssig in Tankern über die Weltmeere geschippert. Im Wasser, etwa beim Spülen von Tanks auf See, erstarrt es zu Klumpen. Seevögel können sterben, wenn sie sich nach dem Kontakt mit dem Material putzen und größere Mengen davon aufnehmen.

Bisher ist die Verklappung von Paraffin außerhalb der 12-Seemeilen-Zone legal. Allerdings spülen viele Tanker ihre Tanks direkt nach der Entladung in Hamburg auf See aus – der Hafen ist einer der größten Paraffin-Umschlagplätze Europas. Backhaus plädiert dafür, dass die Tanks künftig im Hafen gespült und die Abwässer dort sachgerecht entsorgt werden müssen. Laut der Vorlage soll sich die Bundesregierung auch in der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO für eine Änderung der entsprechenden Abkommen einsetzen.

Auch an der Ostsee ist das Thema virulent. „Wer im Frühjahr die Strände im Nordosten Rügens gesehen hat, der weiß, warum wir nun endlich han- deln müssen“, sagt Backhaus. Ende April waren auf Rügen unzählige Paraffinklumpen angeschwemmt worden. Strände wurden gesperrt, Helfer kämmten die Küste dann tagelang danach ab, auch Feuerwehr und Technisches Hilfswerk waren im Einsatz. In der Tromper Wiek, einem Strandabschnitt nahe Kap Arkona, sammelten sie auf etwa zehn Kilometern Länge 32,5 Kubikmeter des Paraffin-Sandgemischs ein. Solche Anspülungen hatte es zuletzt auch an den Nordfriesischen Inseln, am Darß und auf Usedom gegeben.

„Es kann doch nicht sein, dass die Reeder die Kosten der Abfallentsorgung sparen und die Allgemeinheit dann aufkommen muss, wenn die Klumpen an Land gelangen“, sagt Backhaus. Einem Gutachten zufolge, auf dem sich die Beschlussvorlage begründet, gelten reine Paraffine für den Menschen als ungefährlich. Da sie beim Transport aber oft Beimischungen aufwiesen, könnten Haut- und Atemwegsreizungen nicht ausgeschlossen werden.