Weiter so für Tübingen

BÜRGERMEISTERWAHL Der Grüne Boris Palmer wird weiterhin die Geschäfte der Universitätsstadt führen. Er erzielte einen klaren Sieg mit 61,7 Prozent der Stimmen

„Der zivilisierte Streit ist das Salz in der Suppe der Demokratie“

WAHLSIEGER BORIS PALMER, GRÜNE

AUS TÜBINGEN LENA MÜSSIGMANN

Freibier und Blasmusik: So werden Wahlsiege in Baden-Württemberg gefeiert. Auf dem Tübinger Marktplatz stand mit Boris Palmer am Sonntagabend zum wiederholten Mal ein Grüner. Palmer bleibt Oberbürgermeister der Universitätsstadt. Laut dem vorläufigen Endergebnis haben 61,7 Prozent der Tübinger für den 42-Jährigen gestimmt. Herausforderin Beatrice Soltys (48, parteilos), die von der CDU unterstützt wurde, erhielt 33,2 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 55 Prozent. Die Grünen behalten damit eine der großen baden-württembergischen Städte für weitere acht Jahre in ihrer Hand.

Palmer sagte, die Wahl zeige, dass es eine „breite gesellschaftliche Mehrheit“ für sein Programm der „ökosozialen Wohlstandspolitik“ gebe. Er wolle die Stadt in diesem Sinne weiterentwickeln, Klimaschutz bleibe ihm eine Herzensangelegenheit.

Herausforderin Beatrice Soltys tauchte bei der offiziellen Ergebnisverkündung in einer Schulmensa nicht auf. Dass sie so schwach abschnitt, überrascht selbst viele Grüne. Soltys ist Baubürgermeisterin in Fellbach bei Stuttgart. Sie galt als ernsthafte Konkurrentin, die mit konservativer Politik und leisen Tönen punkten wollte.

Palmer war schneller, lauter, erfahrener, wortgewandter, frecher. Dem Amtsinhaber war im Wahlkampf mehrfach Arroganz angekreidet worden. Er hatte Soltys bei Podiumsdiskussionen abgekanzelt und sich selbst als Stadtsheriff hervorgetan. Im sozialen Netzwerk Facebook brachte er sich mit mehreren Posts pro Tag – Themen banal bis stadtpolitisch – ins Gespräch. Am Wahlabend sagte er, er werde weiterhin nicht um den heißen Brei herumreden: „Es geht um den zivilisierten Streit. Der ist das Salz in der Suppe der Demokratie.“

Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann kam zur Feier seines Freundes und Beraters auf den Marktplatz. Er bestärkte ihn darin, seine Meinung klar auszudrücken: „Es ist kein Zeichen von Liberalität, dass man jeden Blödsinn unwidersprochen stehen lässt.“ Er wünsche sich, dass es noch mehr Oberbürgermeister gebe, die aus Palmers Holz geschnitzt sind, sagte Kretschmann. Über den Wahlkampf wurde bundesweit berichtet. Palmer wird gerne zu bundespolitischen Themen befragt, die er mit markigen Worten kommentiert. Mancher sieht in ihm sogar einen Anwärter auf Kretschmanns Posten.

War die Tübinger Wahl also ein Testlauf für die Landtagswahl 2016, bei der Grün-Rot zur Wiederwahl steht? Diese Interpretation hält Palmer für falsch. Rückschlüsse lasse es aber doch zu, dass die CDU zwar unbedingt an die Macht wolle, aber schon in den Städten weder Programm noch Personal aufbieten könne.

Die Wahlbeteiligung von 55 Prozent gilt als für Kommunalwahlen hoch. Bei Palmers erster Wahl vor acht Jahren hatte sie bei 51,6 Prozent gelegen. Damals hatte Palmer 50,4 Pozent der Stimmen erhalten. Nun hat er sein Ziel, die 60 Prozent zu knacken, knapp erreicht.

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