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Die Wahlschottin mit dem schwarzen Humor

CHICK AND CRIME Männer– und wie frau sie bekommt: die Romane der Helen Fitzgerald

Kann fatal sein: sich in die tragikomische Geschichte eines gescheiterten Paares hineinziehen zu lassen

Helen Fitzgerald hat schon eine Menge hinter sich, darunter einen Umzug von einem Ende der Welt ans andere. Die 44-Jährige wurde in Australien geboren, lebt jedoch seit zwanzig Jahren in Schottland, der Liebe wegen. Sie arbeitete als Sozialarbeiterin im Strafvollzug und als Drehbuchautorin für Fernsehserien. Vor etwa fünf Jahren fing sie neu in einem Beruf an, mit dem sie allmählich sogar international bekannt wird – denn Helen Fitzgerald ist gerade dabei, ernsthaft Karriere als Romanautorin zu machen. Obwohl sie nach eigenem Bekunden gar nicht so viel arbeitet („Ich habe ja zwei Kinder!“), hat sie in fünf Jahren bereits vier Bücher veröffentlicht und noch mehr geschrieben. Gerade ist der zweite Titel auf Deutsch erschienen.

In Fitzgeralds deutschem Verlag war es umstritten, ob man sie unter dem innovativen Label „Chick lit noir“ vermarkten dürfe, wohnt doch dem „Chick“-Begriff etwas allzu Postfeministisches inne. Und doch wäre es schwierig, etwas ähnlich Treffendes zu finden. Während es einerseits, ähnlich wie bei Kolleginnen der klassischen „Chick lit“, auch bei Helen Fitzgerald überwiegend um eines geht (Männer und wie frau sie bekommt), konterkariert sie diesen eher traditionellen Ansatz doch aufs Deftigste mit einem Schuss nachtschwarzer Komik, gespeist aus ihren authentischen Erfahrungen mit menschlichen Abgründen aus ihrer Gefängnisarbeit.

Ihr Erstling, „Furchtbar lieb“, der vergangenes Jahr auf Deutsch erschien und den Filmemacher Chris Kraus veranlasste, sich nach der Lektüre umgehend die Filmrechte zu sichern, erzählt die aberwitzige Tour de force einer alleinerziehenden jungen Mutter, die, etwas nymphoman veranlagt und von mangelnder Selbstbeherrschung, bei einem Campingausflug unter anderem den Mann ihrer besten Freundin in den Schlafsack zieht.

Der folgende Streit unter den Frauen endet mit dem Sturz der Betrogenen von einer Steilklippe, was komplizierte Folgen zeitigt, da die schuldbewusste Freundin alles tut, den versehentlich verursachten Tod geheim zu halten.

Auch „Letzte Beichte“, Fitzgeralds erst kürzlich auf Deutsch erschienener neuer Roman, wartet mit einer üppig verschlungenen Handlung auf und mit derselben impulsiven Heldin, die dieses Mal, ähnlich wie einst die Autorin selbst, als Sozialarbeiterin im Gefängnis arbeitet, wo sie sich fatalerweise in die tragikomische Geschichte einer gescheiterten Paarbeziehung und in einen ungelösten Kriminalfall hineinziehen lässt.

Obwohl es gern auch mal Tote gibt, sind es keineswegs Krimis im klassischen Sinne, die die Wahlschottin schreibt. Es handelt sich hier um eine sehr spezielle Genremischung, einen zünftigen literarischen Eintopf, in dem nichts fehlt, was dem Leser schmeckt. Sex ist drin, Crime kommt rein, für Comedy ist gesorgt. Und natürlich darf für die Würze auch eine ordentliche Portion Chick nicht fehlen.

KATHARINA GRANZIN

Helen Fitzgerald: „Letzte Beichte“. Aus dem Englischen von Steffen Jacobs. Galiani Verlag, Berlin 2011. 255 Seiten, 14,99 Euro

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