YOANI SÁNCHEZ POLITIK VON UNTEN: Luxusghettos im materiellen Kollaps
Kuba will mehr Geld und setzt auf reiche Touristen. Die sollen auf perfekt gepflegten Plätzen vor allem Golf spielen
Die Rasensprenger erfrischen das weite, hügelige Gelände. So kurz geschnitten wirkt der Rasen künstlich, und die Caddies mit ihren Schlägern und Bällen sehen aus wie im Zeichentrickfilm. Alles wirkt so irreal. Wie aus einem Traum, weit weg.
Die neuen Golfplätze, die in ganz Kuba entstehen, befremden die Einheimischen, die wie niemand sonst den Verfall und die Not zur Improvisation kennen, die ihnen das Land abverlangt. In unendlichen Diskussionen mit verhaltener Stimme ist darüber gesprochen worden, ob es angebracht sei, inmitten der Wirtschaftskrise solche Räume für die Luxuserholung von Touristen zu schaffen. Witze und Reggaeton-Songs leben von der Absurdität dieser Prunkfestungen inmitten des Mangels.
Das letzte Wort in dieser Debatte hatte der 6. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas, der den Aufbau pompöser Orte des Zeitvertreibs für Touristen beschloss. Priorität, so hieß es dort, genieße die „Entwicklung des Tourismus im Bereich Wellness, Wassersport und Tauchen, Golf, Abenteuer- und Ökotourismus, Themenparks, Kreuzfahrten, Geschichte, Kultur und nationales Erbe sowie Messen und Kongresse, unter anderen.“ Die All-inclusive-Pakete der Reiseveranstalter haben sich als schlechtes Geschäft erwiesen, denn einen Großteil des Erlöses nehmen die ausländischen Veranstalter wieder mit, im Land lassen sie gerade genug, um die Hotels instand halten zu können. Jetzt sollen Potentaten, Millionäre und Aristokraten der ganzen Welt angelockt werden. Das ist der erstaunliche Schwenk einer Regierung, die einst jene privaten Clubs beschlagnahmte, die vor 1959 ihren Mitgliedern die Möglichkeit zum Golfen eröffnet hatten.
Jetzt sind sie wieder da. Obwohl sie wunderschön aussehen, lösen sie bei uns eher Zweifel aus als Zuversicht. Unser Misstrauen rührt nicht von einer Ablehnung des Sports an sich, auch nicht daher, dass wir nur Baseball mögen, die nationale Leidenschaft. Die Verunsicherung rührt daher, dass diese Erholungsorte in einem Land entstehen, das von Ineffizienz geprägt ist, in dem Improvisation den Tag bestimmt und die meisten Dienstleistungen mangelhaft sind. Man fürchtet, dass die Wirtschaft sich jetzt, wie schon früher mit anderen Projekten, mit aller Kraft auf die Idee des Luxustourismus ausrichtet und dafür andere vernachlässigt, die weniger hochtrabend sind, dafür aber nachhaltiger.
Was aber am meisten Ärger bereitet, ist die Exklusion; die Tatsache, dass all die Investitionen sich nicht an uns richten. Dass zu den Anforderungen, um über die Schwelle eines Golfclubs zu treten, nicht nur ein Scheckbuch gehört, sondern auch ein Pass irgendeines Landes, nur nicht des unseren. Wir wollen uns einfach nicht daran gewöhnen, im eigenen Land Menschen zweiter Klasse zu sein.
Die Plätze werden kleine Enklaven der Effizienz und des Komforts auf einer Insel sein, die den längsten materiellen Kollaps ihrer Geschichte erlebt. Mit perfekt geschnittenem Rasen und einer ständigen Beregnung verdichtet sich auf den Golfplätzen der Gegensatz zwischen dem touristischen und dem wirklichen Kuba, zwischen denen, die die weißen Bälle schlagen, und uns, die wir das nur von der anderen Seite des Zauns ansehen können.
■ Die Autorin lebt als unabhängige Bloggerin in Havanna Foto: dpa
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