Der Aktivierte

Mario Scheuermann wollte nur ein bisschen ins Grüne gucken. Vor drei Jahren kaufte der Weinkritiker deshalb ein Haus in der Altstadt von Lauenburg: Denkmalgeschütztes Fachwerk, pittoreske Kirchtürme. „Nach Jahrzehnten in Hamburg ein bisschen Slow Life“, sagt er.

Ganz so beschaulich wurde das Leben des 66-Jährigen in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt an der Elbe aber nicht. Im letzten Sommer überflutete das Hochwasser teilweise die Altstadt, rund 400 Menschen mussten evakuiert werden, die Schäden wurden auf 27 Millionen Euro geschätzt. Scheuermann, dessen Haus nicht betroffen war, schleppte für Nachbarn Sandsäcke und Möbel. „In den 80er-Jahren hatte ich mich als Journalist mit dem Klimawandel beschäftigt, weil auch in Deutschland immer mehr Rebsorten aus Südeuropa gediehen. Aber plötzlich war der direkt spürbar.“

Heute gehört Scheuermann zu den führenden Aktivisten beim Protest gegen die Hochwasserschutz-Pläne des schleswig-holsteinischen Umweltministers Robert Habeck (Grüne). Der will auf eine Polderlösung setzen, mit der die Elbeflut auf Felder im Umfeld verteilt wird. „Nachhaltig ist aber nur eine Lösung mit Spundwänden, die das Abrutschen der Häuser abwenden kann“, sagt Scheuermann. Mit seiner Initiative „Lauenburg SOS“ fordert Scheuermann ein teureres Schutzkonzept, bei dem die Uferpromenade höher gelegt und die Altstadt mit einer im Boden verankerten Spundwand abgestützt wird. „Als Ministerpräsident Thorsten Albig letztes Jahr da war, hat er uns das Blaue vom Himmel versprochen – wenn er jetzt nichts macht, war das reiner Flut-Tourismus.“

Am vergangenen Wochenende organisierte Scheuermann eine Demo. Rund 400 Menschen stellten sich symbolisch vor die vom Hochwasser bedrohte Altstadt von Lauenburg: Alt, Jung, händchenhaltend. „Alle Bevölkerungsschichten waren dabei“, sagt Scheuermann. Auch wenn das nicht nach Slow Life klingt, ist er zufrieden.  ETH