: Von Polizeipferden und Hurensteuer
Der niedersächsische Landesrechnungshof macht Verschwendungen in Höhe von 127 Millionen Euro aus. Die Spar-Vorbilder der Präsidentin kommen aus dem Süden. Ihr Vorschlag: Polizeipferde abschaffen, Prostituierte besteuern
Eine Trotzreaktion. Dass auch Biomöhren Symbolkraft enthalten können, versuchte gestern Wolfgang Meyerding zu beweisen. Ausgerechnet am Tag, an dem der Landesrechnungshof die zwei Reiterstaffeln des Landes Niedersachsen als zu teuer kritisierte, fütterte der Innenstaatssekretär persönlich die 19 Pferde der Polizei in Braunschweig mit den Leckereien. Meyerdings patzige Botschaft: „Polizeipferde bleiben in der Löwenstadt.“
Solche Renitenz von Politikern und Verwaltung ist Martha Jansen gewohnt. Jedes Jahr prangert die resolut-altmütterliche Präsidentin des Landesrechnungshofs aufs Neue Einsparpotentiale bei den Ausgaben in Nieder–sachsen an. „Unser Ministerpräsident Christian Wulff“, sagte Jansen gestern, müsse es machen wie der von ihm belächelte Noch-Kollege in Bayern, Edmund Stoiber: „Sich mit den Gebirgsschützen anlegen“ – sprich dort sparen. „Jetzt kann jeder selber überlegen, wo die Gebirgsschützen in Niedersachsen sind“, sagte Jansen.
Sie hat da genau 50 Kandidaten ausgemacht: In ihrem gestern vorgelegten 200 Seiten dicken Prüfbericht listet der Landesrechnungshof (LRH) Verschwendungen in Höhe von 127 Millionen Euro auf. Das Land könne Gelder für das Sprengel Museum in Hannover, den Blindenhilfefonds, nicht ausgelastete Physik-Studiengänge oder für die Jobbörse der Landesverwaltung besser einsetzen. Auch einige der drei Millionen Euro für die 50 Polizeipferde im Landesdienst könne man einsparen.
Mehrausgaben statt Sparen fordert der LRH nur beim Straßenbau: Der Zustand der Landesstraßen werde immer schlechter, weil das Land nicht genügend Geld für die Sanierung ausgebe. Seit den 70er Jahren haben sich die Zuschüsse auf knapp 40 Millionen Euro halbiert. Außerdem seien die Flickkolonnen der Straßenmeistereien zu langsam und zu teuer. Wegen ihrer Kriechgeschwindigkeit werden sie als „Leichenzug“ verspottet. Der LRH rät: Privatisieren.
Auch in den in 14 Liegenschaften des Landes installierten Solaranlagen sieht die Behörde wenig Sonnenschein. Kosten in Höhe von 860.000 Euro und die Energieersparnis stünden in keinem Verhältnis: Die Amortisationszeit der Anlagen betrage 100 Jahre, dabei haben die Solarzellen nach 20 Jahren ausgedient.
Ein Plus in die Kassen bringe es, die geschätzten bis zu 10.000 Prostituierten im Land durch das Durchforsten von Anzeigen „in den einschlägigen Medien“ zu erfassen und mit einer Pauschalsteuer von 25 Euro pro Tag zu belegen. Allein in Stuttgart kämen so jährlich 1,7 Millionen Euro zusammen.
Überhaupt, der Süden. Niedersachsen müsse es so machen wie die schwarz-gelbe Koalition in Baden-Württemberg, sagte Jansen. Dort seien alle erwarteten Steuer-Mehreinnahmen komplett in den Abbau der Netto-Neuverschuldung gesteckt worden, lobte die Präsidentin. Das müsse auch in Niedersachsen geschehen. Im Nachtragshaushalt 2007 hätten CDU und FDP zwar die Neuverschuldung auf 850 Millionen Euro gesenkt. „Aber da ist überhaupt kein Jubelgeschrei angebracht“, sagte Jansen KAI SCHÖNEBERG
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen