Keine Bombe

Israels Beitrag zum Eurovison Song Contest, ein Friedenslied, wird nicht disqualifiziert. Warum auch?

Vor genau einer Woche hatte sich das israelische Publikum in einer TED-Entscheidung festgelegt: Die Gruppe Teapacks sollte mit dem Lied „Push the Button“ („Drück den Knopf“) Anfang Mai in Helsinki für das nahöstliche Land beim Eurovision Song Contest an den Start gehen. Kaum war diese Nachricht bekannt, wurde auch schon Kjell Ekholm, der finnische Vertreter in der Koordinationsgruppe der Eurovision, mit den Worten zitiert: „Es ist absolut klar, dass diese Art von Botschaft nicht mit dem Wettbewerb vereinbar ist.“

Die Kritik entzündete sich angeblich am Text, der als offene Kriegserklärung an den Iran und als aggressives Bekenntnis zum zionistischen Eroberungswillen gelesen werden müsse. Als Konsequenz habe Israel die Disqualifikation vom 52. Eurovision Song Contest zu befürchten. Doch keine dieser Spekulationen ist triftig. Ekholm hat erklärt, seine Worte seien aus dem Zusammenhang gerissen – und Israel sei in der finnischen Hauptstadt ebenso willkommen wie die anderen 40 Länder, die am 10. (Halbfinale) und 12. Mai (Finale) um den Sieg buhlen.

Tatsächlich birgt der Beitrag von Teapacks nichts, was in besonderer Weise aus der Eurovisionstradition heraussticht. Bekundungen für eine bessere Welt gab es stets in Fülle. Israels juvenile Band besingt nur, was viele Menschen ohnehin fantasieren: dass den Bombenzündern nicht die Welt überlassen werde dürfe. „Die Welt ist voller Terror / Wenn einer einen Fehler macht / Er wird uns in ein Königreich blasen / Es gibt ein paar Regeln, denen sie folgen und mit denen sie uns zum Narren halten / Mit dämonischer und technologischer Kraft.“

Die Unterstellung der Kritiker liegt auf der Hand: Gemeint sei der Iran und sein Präsident Ahmadinedschad. Andererseits aber ließe sich in diesen Zeilen auch eine Kritik an der israelischen Politik lesen. Tatsächlich hätten viele Lieder in der inzwischen mehr als 50-jährigen Geschichte des Contests aus dem Wettbewerb herausgenommen werden müssen, wären an sie die gleichen Kriterien angelegt worden: Katja Ebsteins „Diese Welt“ war im Jahre 1971 ein sehr frühes Bekenntnis gegen die Klimakatastrophe; 1982 war Nicoles „Ein bisschen Frieden“ ein weiches Bekenntnis gegen die Nato-Aufrüstung; Ralph Siegels „Träume sind für alle da“ hätte 1992 als Appell gegen jede Hartz-IV-artige Reform verstanden werden können.

Andersherum: 1991 sang die in Tunesien geborene Französin Amina über die muslimische Frau, die unterdrückt werde, was ihr den zweiten Platz eintrug. Nicht anders der Griechin Mariza Kochs flammende Hymne gegen die türkische Besatzung Zyperns im Jahre 1976. Aber die war auf Griechisch vorgetragen – was niemand (miss)verstand.

Im Grunde geht es ohnehin immer nur um Israel und den arabischen Verdruss, aus eigenem Beleidigtsein heraus nicht auf der Bühne der Eurovision zu stehen. Libanon und all die anderen Länder dürften nämlich, aber nur unter der Voraussetzung, dass sie während der Übertragung den israelischen Song nicht ausblenden. Im Übrigen: Vor sieben Jahren feierte man in Damaskus und Beirut, wo über Satellitenschüsseln der Contest empfangen werden kann, die israelische Band Same’Ach, die mit syrischen Fähnchen auf der Bühne wedelte und den Abzug der Truppen von den Golanhöhen besang. Das entnervte damals nur die Hardliner großisraelischer Politik – und erfreute die friedensbewegten Szenen in Tel Aviv und anderswo. JAF