EUROPÄISCHER GERICHTSHOF IST GEGEN LOHNDUMPING DURCH AUSLÄNDER
: Ein Sieg auf Kosten von Schwachen

Lohndumping wird wenigstens nicht einfacher in Europa – das ist die Botschaft, die gestern der Europäische Gerichtshof ausgesandt hat. Bisher handelt es sich zwar erst um das Plädoyer des Generalanwalts und noch nicht um ein endgültiges Urteil, aber die Tendenz ist eindeutig: Ausländische Arbeitnehmer müssen die gleichen Löhne erhalten wie Inländer. So sieht es die europäische Entsende-Richtlinie vor.

Im konkreten Fall wollte eine lettische Firma eine Schule im schwedischen Vaxholm renovieren und dabei an ihre lettischen Arbeiter nur lettische Löhne zahlen. Das ist unzulässig, wie nun der Generalanwalt festhält. Auch die lettischen Beschäftigten hätten die hohen schwedischen Löhne erhalten müssen. Die europäischen Gewerkschaften können einen Sieg verbuchen – allerdings nur in einer permanenten Abwehrschlacht.

Denn in der Praxis lässt sich die Entsende-Richtlinie vielfach umgehen. Die Arbeitnehmer müssen sich nur als Selbstständige ausgeben, die einen Werkvertrag ausführen – und schon können sie ihre Arbeitskraft zu jedem Preis anbieten. Das haben viele osteuropäische Fliesenleger längst erkannt, die als Ein-Mann-Firmen in Deutschland unterwegs sind.

Neben diesen Tricksereien stellt sich ein theoretisches Problem: Arbeitnehmer sind auch Kunden. Und in dieser Rolle profitieren sie gern vom weltweiten Lohngefälle. Ob Textilien aus China oder Würste aus Polen – das Preis-Leistungs-Verhältnis ist so erfreulich, weil die dortigen Arbeitskräfte nicht verdienen, was in Deutschland üblich ist. Es wirkt schizophren: Zu Hause dürfen Billigarbeiter Waren für Deutschland produzieren, aber wehe, sie wandern als Billigarbeiter nach Deutschland ein.

Hinter dieser Schizophrenie verbirgt sich ein Kampf der Schwachen gegen die Schwächsten. Es ist westlichen Niedriglöhnern nicht zu verdenken, dass sie ihre Arbeitsplätze gegen ärmere Konkurrenten aus dem Ausland verteidigen. Ohne tariflichen Schutzraum wären sie verloren. Aber es ist bitter, dass dieser Sieg bedeutet, dass dabei andere Verlierer erneut verlieren. ULRIKE HERRMANN