Weltall-Projekt ist am Boden

Das Navigationssystem Galileo kommt nicht voran. EU droht mit Auftragsentzug

BERLIN taz/ap ■ Die Elite der europäischen Wirtschaft war mit großen Versprechen angetreten: Bis zum Jahr 2010 wollten die Telekom, Eads, Alcatel, Thales und weitere Partner ein eigenes satellitengestütztes Navigationssystem aufbauen. Mit zentimetergenauer Ortung sollte es dem US-System GPS Marktanteile abjagen, mit Milliardenumsatz und neuen Anwendungen 100.000 Hightech-Arbeitsplätze schaffen. Im nächsten Jahr, so die ehrgeizigen Pläne, sollten die ersten Satelliten im All sein und der Testbetrieb starten. Spätestens für 2010 war dann der Regelbetrieb mit 30 Satelliten vorgesehen, die Navigationsgeräte und Handys an den richtigen Ort dirigieren.

Doch aus den hochfliegenden Plänen wird so schnell nichts werden, das Prestigeprojekt ist am Boden. Das Firmenkonsortium, das den Auftrag für den Galileo-Aufbau und -Betrieb bereits 2005 erhielt, hat sich bisher weder auf einen Chef geeinigt, noch gibt es einen Vertrag über die auf 20 Jahre angelegte Konzession. Ein Grund ist offenbar, dass die Unternehmen von der öffentlichen Hand eine stärkere Absicherung der wirtschaftlichen Risiken fordern.

Doch auch nationale Interessen spielen eine wichtige Rolle. Ähnlich wie im Fall Airbus wollen sich alle beteiligten Länder möglichst viele Arbeitsplätze und viel Technik sichern. Derzeit blockiere Spanien die Verhandlungen, um die Ansiedlung von zwei zusätzlichen Kontrollzentren im Land durchzusetzen, berichten Brancheninsider. An dieser Forderung sei die Vertragsunterzeichnung gescheitert.

Die EU-Kommission will die Verzögerungen nun nicht länger hinnehmen. In einem Brief an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft forderte Verkehrskommissar Jacques Barrot am Donnerstagabend ein Mandat, dem Industriekonsortium klare Fristen zu setzen und ihm den Auftrag notfalls wieder zu entziehen. Es bestehe „ein Risiko für die Realisierung des Projekts im geplanten Zeitrahmen. Zudem müssen wir erhebliche Kostensteigerungen befürchten“, schreibt Barrot. Bisher sind für Galileo 3,6 Milliarden Euro vorgesehen.

Der EU-Kommissar bittet deshalb Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) als amtierenden Vorsitzenden der EU-Verkehrsminister um politische Unterstützung für ein Ultimatum an das Konsortium: Die Unternehmen müssten bis zum 10. Mai eine gemeinsame Betreibergesellschaft gründen, deren Chef für alle Partner sprechen könne, fordert Barrot. „Abhängig von der Reaktion der privaten Seite werde ich nach Alternativen für das Projekt suchen.“ Diese wolle er dann zusammen mit einer Problemanalyse im Juni dem Rat der EU-Minister für Verkehr und Telekommunikation vorlegen.

Als die Planungen für Galileo begannen, galt das europäische Satellitensystem als technisch führend. Doch durch die Verzögerungen ist der Vorsprung gefährdet: Die USA modernisieren derzeit ihr GPS-System, um die Genauigkeit zu erhöhen. Und China, das ebenfalls ein globales Navigationssystem plant, hat – anders als die EU – bereits die ersten Satelliten im All. MKR