Der Bildgewaltige

Der Regisseur Lars-Ole Walburg hat sich mit seinen überraschenden Inszenierungen einen Namen im deutschsprachigen Raum gemacht. Nun wird er Intendant am Schauspiel Hannover – als Nachfolger von Wilfried Schulz, der 2009 nach Dresden wechselt

Seltsames Gefühl, von oben einem New-Economy-Manager zuzuschauen, wie der mehrere Meter unter der Erde in einem High-Tech-Gefängnis liegt und über sein Leben lamentiert. Machtverlust, Boden unter den Füßen verloren, und dann ist alles auch noch so giftig: Der schweigsame Wärter jedenfalls trägt Gasmaske und Schutzanzug. „Erreger“ hieß das Stück, der Text stammt von Albert Ostermaier und die Uraufführung übernahm Lars-Ole Walburg im Jahr 2000 am Schauspiel Hannover. Vogelperspektiven-Theater, bei dem die Zuschauer auf der Bühne sitzen – und unterhalb der Bühnenbretter in einer eigenartig unwirklichen Gruft gespielt wurde.

Es war eine kleine, aber sehr wirkungsvolle Idee, mit der Walburg damals ein feiner Theaterabend gelungen ist. Sechs Jahre später dann inszenierte Walburg in Hannover den „Othello“, in dem er die sonst dunkelhäutige Figur mit einer weißen Schauspielerin besetzte. Das gefiel an der Leine. So sehr, dass man Lars-Ole Walburg zum Intendanten des Schauspiels Hannover berufen hat. Der 42-Jährige kommt ab der Spielzeit 2009/2010 und übernimmt den Posten von Wilfried Schulz, der dann zum Staatsschauspiel Dresden wechselt.

Walburg ist einer, der den Pop hinter sich hat und trotzdem nach Bildern sucht, die stark und phantasievoll sind. Er ist einer, der die Klassiker schätzt, ihnen aber auch mal das ein- oder andere Textfragment einverleibt. Dabei will Walburg die großen Alten nicht zerstören, sondern bereichern – und schafft viel Raum für die Kunst seiner SchauspielerInnen.

Sehr erfolgreich war Walburg damit Ende der 90er Jahre: Dreimal wurde er zum Berliner Theatertreffen eingeladen, 1999 wählten ihn die Kritiker gar zum „Nachwuchsregisseur des Jahres“. Seinerzeit arbeitete der gebürtige Rostocker nach einem Volontariat beim DDR-Fernsehen und einem Theaterwissenschafts-Studium an der FU Berlin frei an verschiedenen Bühnen. Von 1996 bis 1998 war er Dramaturg und Regisseur am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Ab 2003 sollte Walburg dann in Basel als Schauspieldirektor der miesen Auslastung des Hauses entgegenwirken – was ihm nicht gelang. Er ging 2006 zusammen mit dem Intendanten Michael Schindhelm und arbeitet seitdem frei mit Wohnsitz in Wien.

In Hannover will Walburg keinen Kunsttempel auf der großen Bühne entwerfen, sondern „Theater als freundschaftlichen Lebensentwurf machen“. Zwei Jahre hat er Zeit, ein Konzept zu erarbeiten und ein Team zusammenzustellen. Außerdem will Walburg auch selbst inszenieren – seine Vorgänger Ulrich Khuon und Wilfried Schulz dagegen blieben lieber als Theatermanager im Hintergrund. KLAUS IRLER