„Weniger harter Einsatz“

S21 Im Wasserwerferprozess nach dem Schwarzen Donnerstag in Stuttgart werden Polizeichefs gehört. Sie wollen vom harten Vorgehen gegen Demonstranten im Schlossgarten nichts mitbekommen haben

STUTTGART taz | Nach seinem Eindruck habe es sich um einen „weniger harten Einsatz“ gehandelt und Verletzte will er keine gesehen haben: Im Stuttgarter Wasserwerferprozess war am Mittwoch Expolizeipräsident Siegfried Stumpf als Zeuge geladen. Auch sein Stellvertreter will nicht mitbekommen haben, wie rabiat ihre Männer vor vier Jahren gegen die Demonstranten vorgegangen sind.

Seit vier Monaten läuft der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart. Zwei Einsatzabschnittsleiter des Einsatzes am 30. September 2010 im Schlossgarten gegen Gegner des umstrittenen Tiefbahnhofs Stuttgart 21 sind wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt angeklagt. Die Polizei setzte damals Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Laut Landesinnenministerium wurden mehr als 160 Demonstranten und Polizisten verletzt. Projektgegner gehen von deutlich mehr Verletzten aus. Der Nebenkläger Dietrich Wagner erblindete fast vollständig aufgrund des Wasserwerfereinsatzes. Er bezeichnete die Angeklagten von Anfang an als Bauernopfer und würde lieber die Führungsspitze der Polizei bestraft sehen.

Stumpf war Leiter des Einsatzes, der eskalierte. Vor Gericht verweigerte er die Aussage, weil gegen ihn inzwischen Ermittlungen laufen. Dafür wird das Protokoll seiner Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft vor zwei Jahren vorgelesen: Der Expolizeipräsident schiebt demnach jede Verantwortung weit von sich. Er sei schlecht über die Lage im Park informiert worden. Als er sich gegen 14.30 Uhr selbst ein Bild der Lage gemacht habe, sei die dramatische Phase, in der Bierbänke und -tische geflogen seien, schon vorbei gewesen.

Sein Stellvertreter sagt vor Gericht persönlich aus. Über Funk habe er im Führungsstab von kleinen Blockaden im Park erfahren. „Das hat sich nicht schlimm angehört.“ Erst als gegen 12 Uhr die Gitter zur Absicherung von Baumfällarbeiten nicht wie geplant standen, sondern der nun angeklagte Einsatzleiter darum bat, Schlagstöcke benutzen zu dürfen, sei ihm klar geworden, „dass es jetzt große Schwierigkeiten gibt“. Er habe beim „Auffahren von Wasserwerfern“ an eine Drohgebärde gedacht, ohne dass Wasser abgegeben wird. Ein Irrtum. LENA MÜSSIGMANN