Die Postboten vom LKA

Hamburgs Staatsschutz bestätigt taz-Bericht: Postverkehr verdächtiger Stadtteile wurde tagelang überwacht. Aber nur ein Brief geöffnet

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Der Erfolg heiligt angeblich die Mittel, weiß der Volksmund. So betrachtet, ist die Schnüffelei von Bundesanwaltschaft (BAW) und Hamburger Landeskriminalamt (LKA) im Hamburger Briefverteilzentrum Mitte wohl als gelungen anzusehen. Nach drei Tagen fanden zwölf LKA-Beamte immerhin einen Brief, den sie so interessant fanden, dass sie ihn öffneten. Das räumte die BAW gestern ein. Die übrigen Sendungen seien „nur äußerlich in Augenschein genommen“ und umgehend wieder „in den Postgang“ gegeben worden.

Im Grundsatz bestätigten die Karlsruher Chefermittler ebenso wie Hamburgs Polizeipräsident Werner Jantosch damit einen gestrigen Bericht der taz nord. Unter Druck geraten waren sie zusätzlich, weil am Vormittag die Deutsche Post alle Verantwortung von sich gewiesen hatte. Ein Sprecher hatte erklärt, die Beamten hätten einen richterlichen Beschluss vorgelegt. Die Polizei habe aber ohne Hilfe der Post gearbeitet, hatte er beteuert.

Gestern Mittag zeigten sich auf einer Pressekonferenz auch Jantosch und der Leiter des Hamburger Staatsschutzes, Detlef Kreutzer, geständig. Es habe von Dienstag bis Donnerstag „punktuelle Postbeschlagnahmungen im Zusammenhang mit aufgetauchten Bekennerschreiben“ gegeben, sagte Kreutzer. Jantosch bestritt aber eine „Durchsuchung der Briefsendungen ganzer Stadtteile“.

Nach taz-Informationen achtete das LKA jedoch vor allem auf verdächtige Absender und Adressaten in den Szenestadtteilen Altona, Eimsbüttel, St. Pauli und dem Schanzenviertel. Nach Angaben der BAW wurde vornehmlich nach Briefen gesucht, „deren äußeres Erscheinungsbild aufgrund der bisherigen Erkenntnisse darauf schließen ließ, dass es sich bei ihrem Inhalt um Selbstbezichtungsschreiben handeln könnte“.

Anlass für die Schnüffelaktion waren mehrere Farb- und Brandanschläge in Hamburg im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel, vor allem wohl der Anschlag auf das Auto von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann in der Nacht zu Dienstag. An diesem Tag bezog das LKA seine „Außenstelle Post“ im Briefverteilzentrum.

Der laut BAW geöffnete Brief dürfte ein Bekennerschreiben zu diesem Anschlag sein, welcher an die Hamburger Morgenpost gerichtet war. Dort ging er nach Angabe der Redaktion erst mit einem Tag Verspätung am Donnerstag ein. Ein gleichlautendes Schreiben des Absenders „Eine Militante Kampagne kämpft für Sie“ war aber bereits am Mittwoch pünktlich der Deutschen Presse-Agentur zugestellt worden. Die aber hat ihren Sitz nicht, wie die Mopo, in Altona, sondern im vornehmen Harvestehude an der Außenalster.

Hamburgs Datenschützer Hartmut Lubomierski bekräftige gestern seine Kritik an der Staatsschutzaktion mit markigen Worten: „Die Amerikaner mögen sich in einem Krieg mit Terroristen befinden, wir Deutschen nicht.“ Er mahnte dazu, „Kriminalität mit rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen“.

Auch die Oppositionsparteien SPD und Grüne kritisierten das Vorgehen der Behörden. Vor dem G8-Gipfel ersetzten der CDU-Senat und speziell Innensenator Udo Nagel offenbar „zielgerichtete Fahndungsarbeit durch aufgeregten Aktionismus“, sagte SPD-Fraktionschef Michael Neumann. Der GAL-Rechtspolitiker Till Steffen erklärte, ihm dränge sich die Erinnerung an Kontrollpraktiken der DDR-Staatssicherheit auf.

Nagel drehte gestern den von der taz erhobenen Vorwurf um, „ganze Viertel unter Generalverdacht zu stellen“. Es sei „unverantwortlich“ und „gezielte Panikmache“, wenn „ein Generalverdacht gegen die Sicherheitsbehörden erhoben“ werde.

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