Therapeut mit Tier

Wenn Gesprächstherapie und Medikamente nicht ausreichend helfen, dann holt er die Tiere in die Psychiatrie. 1990 startete Andreas Wessels, gelernter Krankenpfleger und Psychotherapeut an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) seine, wie er sie nennt, „Geheimoperation Tier“.

Der Einsatz tierischer Therapeuten begann dort mit Wellensittichen. Im Aufenthaltsraum sollten sie für ein besseres Milieu sorgen. So wie die Meerschweinchen, die als nächstes folgten. „Patienten kamen aus sich heraus, indem sie mit ihnen spielten und so positive Emotionen erlebten“, sagt Wessels. Der Therapieansatz wurde ausgeweitet, als Juli, eine Beagle-Hündin, für die MHH als Therapiehund ausgebildet wurde.

„Durch sie senkte sich der Aggressionspegel der Patienten deutlich“, sagt Wessels. „Gleichzeitig stärkt sie die soziale Kompetenz der Patienten, indem diese für das Tier Verantwortung übernehmen müssen.“ Zudem muntern die Tiere die Patienten auf: „Wenn aber ein Hund beispielsweise einen Ball in Richtung Patient stößt, kann das beim Patienten Emotionen auslösen, die dazu führen können, dass dieser wieder Freude am Leben verspürt“, sagt Wessels.

„Häufig legen sich die Patienten auch nach der Entlassung ein Tier zu“, sagt Wessels. Das fördert den Erfolg der Langzeittherapie, für die sich Wessels einsetzt. Aus diesem Grund haben weitere Hunde in der Klinik ihren Platz gefunden. Und das, obwohl die Krankenkassen nicht zahlen. Wessels leistet im Namen der Psychiatrie Anti-Stigmatisierungsarbeit, wie er es nennt: „Die Therapiemöglichkeiten sind vielfältiger, als die meisten glauben.“ Er leitet heute ein Projekt, bei dem MHH-Patienten einmal im Monat in den Serengeti-Park in der Lüneburger Heide fahren. Wie sich der Umgang mit Giraffen und Äffchen auf ihre Psyche auswirkt, wird von einer fünfjährigen Studie an der Hochschule begleitet. „Dass endlich wissenschaftliche Belege geliefert werden sollen, ist deutschlandweit einzigartig“, sagt Wessels.  TGL