„Das hat auch was mit Sensibilität zu tun“

Manch rassistische Tat fehlt in der Statistik, sagt Mario Peucker vom Europäischen Forum für Migrationsstudien

MARIO PEUCKER, 34, arbeitet am Europäischen Forum für Migrationsstudien der Otto-Friedrich-Uni Bamberg.

taz: Herr Peucker, sind die einzelnen EU-Länder hinsichtlich rassistischer Straftaten untereinander vergleichbar?

Mario Peucker: Ein Problem ist, dass man manchmal die Länder, die das beste Erfassungssystem haben, als die von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit am meisten betroffenen Länder darstellt. Das stimmt natürlich so nicht.

Wie in Großbritannien.

Großbritannien hat wohl eins der besten, penibelsten Erfassungssysteme.

Dort wurden 2005 fast 58.000 Straftaten registriert.

Die Zahlen spiegeln wider, das nicht mal das Opfer selber, sondern auch ein Dritter von einem rassistischen Motiv ausgehen kann. Dann muss die Polizei in Großbritannien in dieser Richtung ermitteln. Und das ist ja bei uns anders.

Wie ist es denn in Deutschland?

In Deutschland basiert die Feststellung einer rassistischen Straftat im Prinzip auf der Gesamteinschätzung der Tatumstände. Eine ganz zentrale Rolle spielt dabei der erstaufnehmende Beamte. Wenn der Täter offenbar der rechten Szene angehört und das Opfer entweder Ausländer ist oder einen anderen ethnischen Hintergrund hat, dann nimmt die Polizei das im Normalfall als politisch motivierte Kriminalität rechts – das ist der Phänomenbereich – mit der Motivation der Fremdenfeindlichkeit auf.

Was ist die Ursache für den extremen Anstieg fremdenfeindlicher Straftaten, wie ihn die jüngsten Zahlen deutlich machen?

Es heißt, dass der polizeiliche Ermittlungsdruck während der WM größer war, was ich als Hauptgrund allerdings bezweifle, weil die Zahlen nicht nur während der WM, sondern in jedem Monat höher lagen. Meine Einschätzung ist, dass das mit Sicherheit mit den Wahlerfolgen der NPD zu tun hat.

Wie groß sind denn da die regionalen Unterschiede in Deutschland?

Die absoluten Zahlen sind immer noch in Westdeutschland höher. Aber pro Kopf liegt Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen vorne. Das hat auch was mit der Sensibilität der Polizisten zu tun. Wenn in der Polizei kein Gefühl für Rassismus da ist, dann schlägt sich das in der Erfassung nieder. Das ist einfach eine Unkenntnis der Situation. INTERVIEW: TIEMO RINK