AKW als Wasserburg

ATOM Seit einigen Tagen ist das US-Kraftwerk Fort Calhoun vom Wasser des Missouri umspült

WASHINGTON taz | Das Atomkraftwerk Calhoun sei „sicher“, sagt der Sprecher der US-Nuklear-Aufsichtsbehörde NRC, Victor Dricks: „Alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen für die Flut sind getroffen.“ Doch die gegenwärtige Lage des uralten Druckwasserreaktors am Ufer des Missouri im Bundesstaat Nebraska lässt an dieser Auskunft zweifeln. Die Anlage sieht aus wie eine Wasserburg. Seit der Fluss Anfang Juni über seine Ufer trat, ist das Kraftwerk rundum von Wasser umgeben.

Auch das ebenfalls am Missouri-Ufer gelegene Atomkraftwerk Cooper ist hochwassergefährdet. Auf Weisung des Betreibers haben die MitarbeiterInnen dort Sandsäcke aufgehäuft, um eine Überschwemmung des Reaktors zu verhindern. Beunruhigend klingen auch die „vorübergehenden Überflugverbote“, welche die Luftfahrtbehörde FAA am 6. und 7. Juni rund um die beiden Kraftwerke verhängt hat.

Das Wasserniveau des Missouri ist gegenwärtig etwa 50 Zentimeter höher als der Boden des AKW Calhoun. Eine 2,40 Meter hohe Außenhaut aus Gummi soll die Anlage vor Überschwemmungen schützen. Wie das Grundwasser vor möglicher Kontaminierung geschützt wird, ist unklar.

Wegen Wartungsarbeiten ist Calhoun seit April abgeschaltet. Doch im Kühlbecken des Kraftwerks liegen Brennstäbe – und zwar deutlich mehr, als je für das Becken vorgesehen waren. Da die USA nie ein Endlager für stark strahlenden Atommüll gebaut haben, muss jedes Atomkraftwerk seine benutzten Brennstäbe selbst lagern.

Der 1973 in Betrieb genommene Reaktor in Calhoun ist einer der ältesten der 104 Reaktoren in den USA. Mit seinen 500 Megawatt ist er zugleich der kleinste. Ursprünglich war er für eine Laufzeit von 40 Jahren ausgelegt. Inzwischen ist die Laufzeit bis ins Jahr 2033 verlängert worden.

Auch das 1974 in Betrieb gegangene Atomkraftwerk Cooper hat eine Verlängerung auf 60 Jahre bekommen. Seit der Katastrophe im AKW Three Mile Island in Pennsylvania im Jahr 1979 sind in den USA keine neuen Atomkraftwerke mehr gebaut worden. Doch Präsident Barack Obama will den Weg für Neubauten öffnen. DOROTHEA HAHN