Mit Sicherheit in Bielefeld

BürgerInnen in NRW leben besonders sicher, sagt Innenminister Ingo Wolf. Doch statistisch abgenommen haben nur Diebstähle, Raub und Mord nahmen zu. Polizei widerspricht Wolf

VON ANNIKA JOERES
UND MARTIN TEIGELER

In Bielefeld und Wuppertal leben BürgerInnen sicher. So sicher, dass der Innenminister stolz ist auf seine PolizistInnen vor Ort, die „auf der Straße“ Verbrechen verhinderten. Der FDPler Ingo Wolf jubelt über eine Statistik des Bundeskriminalamtes, nach der zwölf der zwanzig sichersten Großstädte in Nordrhein-Westfalen liegen. „Das ist kein Zufall“, sagt Wolf.

Gewollt ist allerdings auch die Auswahl der Zahlen, die der liberale Minister kommentiert. Denn die fünfhundertseitige Statistik birgt auch viel negative Publicity. So hat die Kriminalität in Nordrhein-Westfalen insgesamt im vergangenen Jahr zwar um 0,8 Prozent abgenommen – und damit auch weniger als in den meisten anderen Bundesländern. Aber vor allem harmlose Delikte wie Ladendiebstahl oder Einbrüche haben die Statistik des Innenministers verschönert. Schwere Verbrechen wie Mord und Raub haben hingegen leicht zugenommen.

Bielefeld teilt sich mit Wuppertal zwar tatsächlich den bundesweit ersten Platz unter den Städten mit mehr als 200.000 EinwohnerInnen. Aber deren Polizeipräsident Erwin Südfeld will keinen Zusammenhang zu Wolfs Arbeit ziehen: „Das hat keinen Einfluss auf unsere schon immer gute Statistik“, sagt Südfeld zur taz. Erst in diesem Januar seien 30 Personen aus der Verwaltung in die Fahndungsarbeit gewechselt. „Das sind allerdings auch nur drei Prozent aller Beamten“, sagt Südfeld. Er glaubt, das Bielefelds geografische Lage Verbrechen selten macht. Die ostwestfälische Stadt sei ein Oberzentrum in einem ländlichen Gebiet mit wenig problematischer Bevölkerung. „Bielefeld ist sicherlich nicht mit Frankfurt zu vergleichen“, so Südfeld.

Auch Wuppertal verweist auf die „vorteilhafte Bevölkerung“. In der Talstadt gebe es „keine Drogenszene wie zum Beispiel in Hamburg“, sagt Stadtsprecher Thomas Eiting. Außerdem habe vor allem die gute Arbeit eines kommunalen Bündnisses für Jugendliche Verbrechen von vornherein verhindert. „Prävention ist das Wichtigste“, sagt Eiting. Seine Stadt eroberte ebenso wie Bielefeld schon immer einen der ersten Plätze in der bundesweiten Statistik.

Auch die Fahndungserfolge, die Wolf feiert, geben die Statistik nicht her. Nordrhein-Westfalens PolizistInnen klären jedes zweite Verbrechen auf – aber bis auf die Stadtstaaten Hamburg und Berlin kann jedes Bundesland mehr Verbrecher ahnden als NRW.

Selbst die PolizeibeamtInnen wollen Wolfs Lob so nicht stehen lassen. Sie sind mit ihrem obersten Dienstherren wegen der Polizeireform im Streit und fordern von ihm, diese fünf Wochen vor Inkrafttreten noch einmal zurückzuziehen. Sie sieht vor, die Polizeiaufgaben der Bezirksregierungen auf die 47 Kreispolizeibehörden, das Landeskriminalamt in Düsseldorf und die Zentralen Polizeitechnischen Dienste in Duisburg zu übertragen. Gestern schickten die Personalräte der drei Behörden einen Protestbrief nach Düsseldorf. „Die Polizei genießt trotz ihrer Reformwut einen guten Ruf“, heißt es dort.

Auch Monika Düker, innenpolitische Sprecherin der Grünen in NRW, kann über die Großstadt-Statistiken „nur gähnen“. Sie seien für dieses Land schon immer gut gewesen. „Das wird sich nach Wolfs Reform ändern.“ Das Innenministerium beharrt auf dem Zusammenhang zwischen den Zahlen und der Reform. „Ohne die Reform würde die Statistik anders aussehen“, sagt Sprecherin Iris Fourné. Das Land wolle diesen Weg weitergehen.